Die Schandmaske
haben Sie getan?«
»Im Haus lag so viel Zeug rum. Schmuck. Juwelen. Silber. Das meiste davon hat sie nicht mal gemocht. Und sie war so knickrig. Sie hätte mir viel mehr Taschengeld geben können, aber das wollte sie nicht.«
»Und da haben Sie ihre Sachen gestohlen und Dave hat sie verhökert?«
Sie antwortete nicht.
»Was war denn mit Daves Arbeit bei der Asphaltfirma?«
»Es war keine Arbeit da.« Sie zuckte die Achseln. »Das war doch nicht seine Schuld. Er hätte gearbeitet, wenn er gekonnt hätte.“
Glaubte sie das wirklich? »Also haben Sie weiterhin Ihre Großmutter bestohlen, das ganze Sommertrimester und die ganzen Sommerferien hindurch?«
»Ich hab nicht gestohlen. Ich sollte das doch sowieso alles mal kriegen.«
Dave hatte sie gut indoktriniert - oder sprach da Ruth selbst? »Aber Sie haben es nicht bekommen.«
»Diese Ärztin hat überhaupt kein Recht drauf. Sie ist ja nicht mal eine Verwandte.«
»Daves Adresse bitte, Miss Lascelles.«
»Ich kann nicht«, sagte sie mit echter Furcht. »Er bringt mich um.«
Er war mit seiner Geduld am Ende. »Na, seien wir doch mal ehrlich, das wäre kein großer Verlust, ganz gleich, wie man es ansieht. Ihre Mutter wird Ihnen nicht nachtrauern, und für den Rest der Gesellschaft sind Sie eine Zahl in der Statistik. Wieder so ein junges Ding, das sich von einem Mann benutzen und ausnutzen ließ.« Er schüttelte voller Verachtung den Kopf. »Das Deprimierendste an der ganzen Geschichte ist für mich, wie viel Geld an Ihre Ausbildung verschwendet worden ist.« Er sah sich in dem Zimmer um. »Meine Kinder hätten weiß Gott was darum gegeben, Ihre Möglichkeiten zu haben, aber sie sind natürlich auch um einiges intelligenter als Sie.« Er wartete einen Moment, dann klappte er sein Heft zu und stand mit einem Seufzer auf. »Sie zwingen mich, es Ihnen um so schwerer zu machen. Ich werde mich an Ihre Schulleiterin wenden.«
Ruth schien in sich hineinzukriechen. »Sie weiß nichts.«
»Sie weiß ganz sicher den Namen der Firma, die die Auffahrt asphaltiert hat. Ich werde ihn auf diesem Weg ausfindig machen.«
Sie wischte sich die feuchte Nase mit dem Ärmel ab. »Aber - bitte, verstehen Sie doch, ich muss studieren.«
»Wozu?« fragte er. »Damit Sie und Ihr sauberer Freund vertrauensselige Studenten ausnehmen können? Was macht er für Geschäfte? Mit Drogen?«
Jetzt weinte sie richtig. »Ich weiß doch nicht, wie ich sonst von ihm wegkommen soll. Ich hab ihm erzählt, ich geh an die Uni nach Exeter, aber das tu ich in Wirklichkeit nicht. Ich bewerb mich an Universitäten im Norden, weil die am weitesten weg sind.«
Es griff Cooper ans Herz. Sie glaubte wirklich, dass ihre einzige Chance darin bestand, wegzulaufen. Er fragte sich, was Dave Hughes ihr angetan hatte, dass sie solche Angst vor ihm hatte. War er vielleicht ungeduldig geworden und hatte Mrs. Gillespie getötet, um dafür zu sorgen, dass Ruth schneller an ihr Erbe herankam? Er setzte sich wieder.
»Sie haben Ihren Vater nie gekannt, nicht wahr? Da ist es wohl natürlich, dass Sie jemanden gesucht haben, der seinen Platz einnehmen konnte. Aber an eine Universität zu flüchten löst gar nichts, Miss Lascelles. Sie werden vielleicht ein, zwei Semester Ruhe haben, bevor Dave Sie aufst öbert, aber bestimmt nicht länger. Wie wollten Sie Ihren Aufenthaltsort denn geheim halten? Wollten Sie bei Ihrer Schule darum bitten, dass sie niemandem Ihren Studienort verraten? Und bei Ihrer Mutter und Ihren Freunden ebenfalls? Früher oder später würde ein glaubhafter Anruf kommen, und irgendeiner würde die Information herausgeben.«
Sie schien vor seinen Augen zu schrumpfen. »Dann kann ich überhaupt nichts tun.«
Er beugte sich vor. »Sie können mir zunächst einmal sagen, wo ich ihn finde.«
»Verhaften Sie ihn dann?«
»Weswegen?«
»Weil er Großmutter bestohlen hat. Dann müssen Sie mich auch verhaften.«
Er zuckte die Achseln. »Darüber muss ich erst mit den Testamentsvollstreckern Ihrer Großmutter sprechen. Die werden vielleicht entscheiden, dass es besser ist, schlafende Hunde nicht zu wecken.«
»Dann wollen Sie ihn nur nach dem Tag fragen, an dem Großmutter gestorben ist?«
»Ja«, antwortete er in der Annahme, dass sie das hören wollte.
Sie sch üttelte den Kopf. »Er ist so gemein, wenn er wütend ist.« Wieder begann sie zu weinen. »Wenn Sie ihn nicht ins Gefängnis bringen, kann ich Ihnen nicht sagen, wo er ist. Sie haben ja keine Ahnung, wie er ist. Er bestraft
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