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Die Schandmaske

Die Schandmaske

Titel: Die Schandmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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spätestens beim Hals bremsten. Wir waren ganz schön verblüfft, als wir dahinterkamen, dass das alles nichts als Lüge war.« Sie trank wieder von ihrem Wein. »Hat sich's wenigstens gelohnt, dafür aus der Schule geworfen zu werden?«
    »Nein.« Ruth weinte. »Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich will doch studieren.«
    »Das Vernünftigste ist zweifellos, wenn Sie zu Ihrer Mutter gehen. Sie muss Ihnen eben eine andere Schule suchen.« Warum hatte Cooper das Mädchen überhaupt hergebracht? Oder hatte etwa Jack sie hergebracht?
    Jetzt mischte sich Cooper doch ein. »Es ist zu befürchten, dass der Freund versuchen wird, sich zu rächen, wenn ich erst mit ihm gesprochen habe, und im Cedar House wird er natürlich als erstes nach Ruth suchen. Es ist eine Zumutung, ich weiß, aber mir fiel auf Anhieb keine andere Lösung ein, so wie man an der Schule mit Ruth umgesprungen ist.« Er sah empört aus. »Sie sagten ihr, sie solle ihren Koffer packen, sie würden inzwischen ein Taxi anrufen. Daraufhin hab ich gesagt, sie sollen das Taxi vergessen, ich würde Ruth mitnehmen. Ich hab so was wirklich noch nie erlebt. Man hätte meinen können, sie hätte ein Kapitalverbrechen begangen. Dabei hätten sie doch nie davon erfahren, wenn ich Ruth nicht überredet hätte, reinen Tisch zu machen. Ich fühle mich verantwortlich, ja, wirklich, aber ich hab natürlich geglaubt, sie würden es ihr zugutehalten, dass sie ehrlich war, und es bei einer Verwarnung bewenden lassen. So hätte ich das jedenfalls gemacht.«
    »Weiß Ihre Mutter Bescheid?« fragte Sarah Ruth.
    »Ja, ich hab angerufen.«
    »Ist es ihr recht, dass Sie hier sind?«
    »Ich weiß nicht. Sie hat nur gesagt, sie hätte schon von Miss Harris gehört, und hat aufgelegt. Sie war wütend.« Ruth hielt ihren Kopf gesenkt und wischte sich immer wieder die Augen mit einem Taschentuch.
    Sarah sah Jack mit leicht ironischem Blick an. »Dann wirst du es ihr wohl beibringen müssen. Ich stehe da im Moment nicht in hoher Gunst, und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sehr erfreut sein wird, es zu hören.«
    »Ich hab's schon versucht. Bei mir hat sie auch sofort aufgelegt.«
    Es lag Sarah auf der Zunge zu fragen, warum, aber sie verkniff es sich. Wie sie Jack kannte, w ürde die Antwort alle Fragen offenlassen. Was sie mehr verwunderte, war die Geschwindigkeit, mit der die Ereignisse, wie die Kugel in einem Flipperautomaten, einen so unvorhersehbaren Verlauf genommen hatten. Heute Morgen noch hatte sie nichts weiter vor sich gehabt als ein einsames Wochenende - und jetzt?
    »Also, irgendjemand muss es ihr sagen«, erklärte sie ungeduldig, sich zunächst einmal auf die eine Tatsache konzentrierend, mit der sie sich konkret auseinandersetzen konnte. Sie sah Cooper an. »Am besten sagen Sie es ihr. Ich bin gern bereit, Ruth hier aufzunehmen, aber nur wenn ihre Mutter wei ß, wo sie ist.«
    Cooper sah ungl ücklich aus. »Vielleicht wäre es besser, wir würden den Sozialdienst einschalten«, sagte er. »Eine dritte Partei gewissermaßen.«
    Sarahs Augen verengten sich. »Ich bin an sich eine hilfsbereite Frau, aber ich mag es gar nicht, wenn meine Gutmütigkeit ausgenutzt wird. Umsonst ist der Tod, Sergeant, und ich möchte Sie daran erinnern, dass Sie soeben einen sehr teuren Wein von mir getrunken haben, der, konservativ geschätzt, pro Glas um einiges mehr als sieben Pfund kostet. Mit anderen Worten, Sie sind mir was schuldig. Sie werden also Ihre Verantwortung und die Zukunft dieses Kindes nicht auf eine überarbeitete, schlechtbezahlte Sozialarbeiterin abwälzen, die als einzige Lösung Ruths Unterbringung in einem Heim voll gestörter Jugendlicher vorschlagen wird.«
    Cooper f ühlte sich sichtlich immer unwohler.
    »Und weil Sie den altmodischen Moralkodex, der noch heute an Mädcheninternaten herrscht, falsch eingeschätzt haben, sind Sie außerdem schuld daran, dass Ruth kurz vor der wichtigsten Prüfung ihres Lebens ausgeschlossen wurde. Aber in einer Welt, in der noch immer die Frau den Männern die einzige zuverlässige Möglichkeit bietet, sich zu reproduzieren, sollte man wohl verlangen dürfen, dass die Männer diesen Frauen die Chance zu einer Ausbildung lassen, die ihnen die lebenslange Verurteilung zur Kindererziehung erträglich macht. Den ganzen Tag dazusitzen und eine leere Wand anzustarren, ist eines; die inneren Kräfte, das Wissen und das Vertrauen zu besitzen, aus dieser Wand einen Quell dauerhafter Anregung zu machen, ist etwas ganz anderes. Und

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