Die Schandmaske
habe.«
»Sie haben also mit ihr gesprochen?«
Ruth musterte ihn argw öhnisch. »Ja«, murmelte sie. »Ich hatte meinen Schlüssel in der Schule vergessen und musste läuten.«
»Dann hat sie doch sicher gefragt, wie Sie nach Fontwell gekommen sind. Sie hat ja offensichtlich nicht mit Ihrem Besuch gerechnet, sonst hätten Sie nicht trampen müssen.«
»Ich hab gesagt, eine Freundin hätte mich mitgenommen.«
»Aber das war nicht die Wahrheit, nicht wahr? Eins verstehe ich nicht -Sie wussten, dass Sie wieder zurück mussten. Es war November. Da wird es früh dunkel. Da ist Trampen gefährlich. Warum haben Sie nicht Ihre Großmutter gebeten, Sie zurückzufahren? Sie hatte ein Auto, und Sie haben uns doch erzählt, wie gut sie beide sich verstanden haben. Sie hätte das doch sicher ohne weiteres getan. Warum sind Sie lieber in der Dunkelheit per Anhalter gefahren, obwohl das gefährlich ist?«
»Ich hab einfach nicht daran gedacht.«
Er seufzte. »Von wo aus sind Sie getrampt, Miss Lascelles? Direkt von Fontwell aus, oder sind Sie die Gazing Lane entlang bis zur Hauptstraße gegangen? Das sind immerhin drei Meilen. Wenn Sie von Fontwell aus getrampt sind, wird es uns sicher gelingen, die Person ausfindig zu machen, die Sie mitgenommen hat.«
»Ich bin die Gazing Lane rauf gegangen«, erklärte sie, wie er erwartet hatte.
»Und was für Schuhe hatten Sie an?«
»Turnschuhe.«
»Na, dann wird sich ja in jeder Naht und jedem Fältchen getrockneter Schmutz von der Gazing Lane finden lassen. Es hat an dem Nachmittag fast ununterbrochen geregnet. Da kann sich die Spurensicherung richtig austoben. Ihre Schuhe werden Sie rechtfertigen, wenn Sie die Wahrheit sagen. Und wenn nicht ...« Er lächelte grimmig. »Wenn nicht, dann werde ich Ihnen das Leben zur Hölle machen, Miss Lascelles. Ich werde, wenn nötig, jedes einzelne M ädchen hier in der Schule danach fragen, mit wem Sie Umgang haben, wer Sie gedeckt hat, wenn Sie unerlaubt ausgerückt sind, was Sie stehlen und warum Sie es stehlen. Und wenn ich fertig bin, und Sie dann auch nur noch einen Funken Glaubwürdigkeit besitzen, fange ich noch einmal von vorn an. Ist das klar? Also, wer hat Sie zu Ihrer Großmutter gefahren?«
Sie begann zu weinen. »Das hat mit Großmutters Tod überhaupt nichts zu tun.«
»Was können Sie dann verlieren, wenn Sie mir die Wahrheit sagen?«
»Sie schmeißen mich hier raus.«
»Sie werden Sie noch viel schneller rausschmeißen, wenn ich erklären muss, warum ich Ihre Kleidung zur erkennungsdienstlichen Untersuchung mitnehme.«
Sie schlug die H ände vor ihr Gesicht. »Mein Freund«, murmelte sie.
»Name?« fragte er ohne Erbarmen.
»Dave - Dave Hughes.«
»Adresse?«
Sie sch üttelte den Kopf. »Die kann ich Ihnen nicht sagen. Er würde mich umbringen.«
Cooper blickte stirnrunzelnd auf den gesenkten Kopf. »Woher kennen Sie ihn?«
Sie hob ihr tr änennasses Gesicht. »Er hat hier in der Schule die Auffahrt asphaltiert.« Sie las Missbilligung in seinem Blick und verteidigte sich hastig. »So ist es nicht.«
»Wie ist es nicht?«
»Ich bin kein Flittchen. Wir lieben uns.«
Ihre sexuelle Moral war das letzte, was ihn besch äftigte, ihr jedoch schien die Frage danach vor allem anderen zu schaffen zu machen. Sie tat ihm leid. Sie hatte sich selbst beschuldigt, dachte er, als sie ihre Mutter eine Hure genannt hatte. »Hat er ein Haus?«
»Nein. Er wohnt in einem besetzten Haus.«
»Aber er muss doch ein Telefon haben, sonst könnten Sie ihn ja nicht erreichen.«
»Er hat ein Handy.«
»Würden Sie mir die Nummer geben.«
Sie sah ihn angstvoll an. »Ich kann nicht. Er wäre stinksauer.«
Das kann ich mir vorstellen, dachte Cooper und überlegte, in was für schmutzigen Geschäften Hughes seine Hände haben könnte. Drogen? Sex mit Minderjährigen? Pornographie? Schulausschluss war das geringste von Ruths Problemen, wenn etwas davon zutraf. Er fragte nicht mehr nach Adresse und Telefonnummer, sondern sagte stattdessen: »Erzählen Sie mir von ihm. Wie lange kennen Sie ihn schon? Wie alt ist er? «
Er muss te die Geschichte mit viel Geduld und gutem Zureden aus ihr herauslocken, und während sie sprach und sich selbst zuhörte, sah er seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Dies war keine Geschichte von Romeo und Julia, die sich in unschuldiger Liebe gegen den Hass der Eltern auflehnen, es war vielmehr ein deprimierender Bericht von schnellem Sex in einem weißen Ford Transit. Ungeschminkt erzählt, fehlte ihm
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