Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schandmaske

Die Schandmaske

Titel: Die Schandmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
Vom Netzwerk:
selbst jeglicher Hauch von Erotik, der das Ganze vielleicht erträglich gemacht hätte, und Cooper fühlte sich, während Ruth erzählte, so unbehaglich wie sie. Er gab sich alle Mühe, es ihr leichtzumachen, aber ihre Verlegenheit war ansteckend, und die meiste Zeit konnten sie einander nicht ansehen.
    Die Sache lief seit sechs Monaten, seit die Auffahrt asphaltiert worden war, und der Anfang war banal genug. Eine Schule voller M ädchen; Dave mit einem Blick für die wahrscheinlichste; sie geschmeichelt von seiner offenkundigen Aufmerksamkeit, um so mehr, als den anderen Mädchen auffiel, dass er nur Augen für sie hatte; sehnsüchtiges Bedauern, als die Auffahrt fertig war, und die Arbeiter wieder abzogen; danach eine scheinbare Zufallsbegegnung, als sie allein spazieren ging; er mit allen Wassern der Straße gewaschen und neunundzwanzig; sie eine einsame Siebzehnjährige mit romantischen Träumen. Er respektiere sie, er liebe sie, werde ewig auf sie warten, aber (wie groß steht das Wort »aber« in den Leben der Menschen, dachte Cooper) schon innerhalb einer Woche nahm er sie hinten in seinem Transit. Wenn sie das Beschämende einer schmutzigen Decke auf einer alten Zeltplane vergessen konnte, dann konnte sie sich des Spaßes und der Aufregung erinnern. Sie war nachts um zwei aus einem Fenster im Erdgeschoß geklettert, um von ihrem Geliebten mit offenen Armen aufgenommen zu werden. In dem geparkten Lieferwagen hatten sie bei Kerzenlicht geraucht, getrunken, geredet. Ja gut, er war vielleicht nicht besonders gebildet oder wortgewandt, aber das machte nichts. Und wenn das, was dann geschah, nicht zu ihrem Plan gehört hatte, dann machte das auch nichts, weil sie ja im Grund genommen (ihre Augen straften ihre Worte Lügen) genauso gern mit ihm hatte schlafen wollen wie er mit ihr.
    Warum? h ätte Cooper gern gefragt. Warum sie sich so geringschätzte. Warum sie als einziges Mädchen an der Schule auf diesen Kerl hereingefallen war. Warum sie eine Beziehung zu einem ungebildeten Arbeiter wünschen sollte. Warum sie schließlich so naiv war zu glauben, dass er mehr wollte als kostenlosen Sex mit einem sauberen, unberührten jungen Mädchen. Er fragte sie das natürlich nicht. So grausam war er nicht.
    Damit h ätte die Geschichte vielleicht ein Ende gehabt, hätte sie ihn nicht durch reines Missgeschick (Coopers Interpretation, nicht die ihre) eines Tages in ihren Ferien wiedergetroffen. Seit der Nacht im Lieferwagen hatte sie nicht mehr von ihm geh ört, und Hoffnung war Niedergeschlagenheit gewichen. Sie verbrachte die Ostertage bei ihrer Großmutter in Fontwell (sie sei immer nach Fontwell gefahren, erzählte sie Cooper, weil sie sich mit ihrer Großmutter besser verstand) und fuhr mit dem Bus nach Bournemouth zum Einkaufen. Und plötzlich stand Dave vor ihr und freute sich unheimlich, sie zu sehen, wenn er natürlich auch sauer war, weil sie seinen Brief nicht beantwortet hatte. (Cooper konnte sich die rührende Szene lebhaft vorstellen. Welchen Brief? Na den, der bei der Post verlorengegangen war, natürlich.) Worauf sie einander hinten im Ford in die Arme gefallen waren, ehe Dave sie nach Hause gefahren und begriffen hatte (das war wieder Cooper, der zwischen den Zeilen las), dass aus Ruth vielleicht noch ein bisschen mehr rauszuholen war als eine schnelle Nummer, wenn ihm danach war.
    »In diesen Ferien ist er überall mit mir rumgefahren. Es war ganz toll. Ich hab nie vorher so viel Spaß gehabt.« Aber ihre Stimme war tonlos, als fehlte selbst der Erinnerung der Glanz.
    Sie war zu klug, um ihrer Gro ßmutter zu erzählen, was sie trieb - nicht einmal in ihren kühnsten Träumen wäre sie auf den Gedanken gekommen, dass Mathilda ihren Umgang mit Dave gutheißen würde. Stattdessen erfand sie wie ein Ehepartner, der fremdging, Ausreden für ihre Abwesenheiten.
    »Und Ihre Großmutter hat Ihnen geglaubt?«
    »Ich glaube, ihre Arthritis war zu der Zeit echt schlimm. Ich hab immer gesagt, ich müsste irgendwohin, aber am Abend hatte sie schon vergessen, was ich gesagt hatte.«
    »Hat Dave Sie mit zu sich nach Hause genommen?«
    »Einmal. Aber da hat's mir nicht besonders gefallen.«
    »Hat er Sie angestiftet, von Ihrer Großmutter zu stehlen? Oder kamen Sie von selbst auf die Idee?«
    »So war es doch gar nicht«, entgegnete sie unglücklich. »Wir hatten kein Geld mehr. Da hab ich mir eben einmal was aus ihrer Tasche geliehen.«
    »Und dann konnten Sie es nicht zurückgeben?«
    »Nein.« Sie schwieg.
    »Was

Weitere Kostenlose Bücher