Die Schanz
Kaffee servierte.
«Was ist denn das heute für ein Auftrieb bei Ihnen?»
«Das wüsst ich auch gern. Muss wohl an Ihnen liegen.» Sie lachte. «Nein, Quatsch! Bei mir ist es eben lecker warm. Ich hab nämlich eine neue Heizung einbauen lassen, was hier auf der Insel nicht jeder von sich behaupten kann.» Sie grinste frech zu den anderen hinüber und beugte sich über den Tisch. «Heute könnt ich Ihnen einen Kirschstrudel anbieten, frisch aus dem Ofen.»
«Hört sich gut an», meinte Toppe.
«Vielleicht die Zeitung dabei?» Sie langte zu dem Bord hoch, auf dem zwei Ausgaben der heutigen Niederrhein Post lagen.
«Gern, danke.»
Das Gemurmel an der Theke wurde lauter, als er hinter der Zeitung verschwand.
Frau Lentes brachte den Strudel. «Ist noch heiß. Tun Sie die Sahne gleich erst drauf, die läuft Ihnen sonst weg.»
«Setzen Sie sich doch mal eben, ich würde Sie gern noch was zu Willem Bouma fragen.»
Sie schüttelte ein wenig ungehalten den Kopf. «Was haben Sie bloß immer mit dem?» Aber dann zog sie doch einen Stuhl unterm Tisch hervor und setzte sich auf die Kante. «Ja?»
«Auf Bouma sind in den letzten Monaten Anschläge verübt worden», sagte Toppe laut und registrierte zufrieden, dass es am Tresen mucksmäuschenstill wurde.
«Stimmt», antwortete die Wirtin. «Das mit der Hündin fand ich ja gemein. War ein liebes Tier, ein Collie, sah genau aus wie Lassie.»
«Und außer Ihnen wusste keiner im Dorf von diesen Anschlägen?»
«Doch, sicher …» Misstrauen schlich sich in ihren Blick. «Wieso?»
Toppe schaute zur Theke. Dellmann drehte ihm den Rücken zu.
«Bea!», rief der Mann neben ihm. «Lass ma’ die Luft ausse Gläser, oder biste dir zu fein dafür?» Er hatte ein Feuermal auf der rechten Wange, das sich jetzt bläulich färbte.
Bea Lentes sprang auf. «Die Arbeit ruft.»
«Nicht schlecht», dachte Toppe. Sollte er sich Dellmann noch einmal allein vorknöpfen oder jetzt sofort zusammen mit den anderen?
Aber da wurde leise die Tür aufgeschoben, und der rothaarige Handwerker, den Toppe gestern aus dem gelben Haus hatte kommen sehen, stapfte herein, ohne Mantel, ohne Handschuhe. Er hastete zu einer freien Stelle an der Theke, schaute niemanden an, grüßte nicht.
«Beatrix, ich würd gern fünf Flaschen Alt mitnehmen.» Toppe hatte Mühe, ihn zu verstehen.
Die Frau aus Nr. 17 tauschte bedeutungsschwere Blicke mit ihren Nachbarinnen. «Na, Voss, hat Papa vergessen, für Nachschub zu sorgen, arme Jung?» Dicker Honig in der Stimme.
Der Rothaarige fuhr sich mit der Zunge über die gesprungenen Lippen und hielt seine Augen auf Bea Lentes geheftet. «Und eine Flasche Kümmerling.»
«Ja, sicher, kein Problem, Voss.» Sie nahm ihm den Baumwollbeutel ab.
Die Siebzehn quiekte kurz und wischte sich mit dem Ringfinger die Mundwinkel aus. «Kümmerling, so, so. Mama ist wohl auch ein bisschen knapp dran, oder wie hab ich das?»
Der Mann beachtete sie nicht.
«Kannst du anschreiben, Beatrix?», wisperte er.
«Mein Gott, Voss!» Sie schlug die Hand vor den Mund. «Wir haben noch nicht mal den Fünfzehnten!» Dann besann sie sich. «Ausnahmsweise.»
Der Mann mit dem Feuermal nahm einen tiefen Zug aus seinem Bierglas und wischte sich die Lippen mit dem Handrücken. «Sag mal, Voss, spielste eigentlich immer noch Handlanger? Für lau? Knete ist nich’ alles», kollerte er dann. «Man kann ja auch anders bezahlen. Wie heißt dat noch gleich? In Naturalien! Ist doch viel schöner, wa, Voss?»
Die Frau aus der Siebzehn ließ angewidert die Kuchengabel sinken. «Hat sich was mit Handlanger! Hat sich was mit ‹Bin ich foh, dass Sie mir helfen›! Den Zahn hab ich meinem Karl aber ganz schnell gezogen, sag ich euch!» Sie senkte die Stimme. «Habt ihr euch die mal genau angeguckt?»
Ihre Nachbarin bekam rosa Wangen. «Da braucht man nicht lange gucken. Was die immer anhat! Bis innen Winter mit barfte Füße, und von Büstenhalter hat die auch noch nix gehört. Lange Haare und all so was. Ich mein, worauf die aus ist, das ist doch wohl klar. Dabei soll die auch schon an die fuffzig sein, hab ich gehört.»
Frau Lentes wickelte die Kümmerlingflasche in Küchenkrepp, bevor sie sie zu den Bierflaschen in die Tasche schob. «Hier, Voss, aber dass mir das bloß nicht zur Gewohnheit wird.»
Er ging mit ausdrucksloser Miene.
Toppes Handy meldete sich. Er zog es aus der Hosentasche und schaute, bevor er die Freitaste drückte, zu den Thekenhockern hinüber. Sie ignorierten ihn.
«Peter
Weitere Kostenlose Bücher