Die Schanz
von Schusswaffen hatte, würde er sich wahrscheinlich etwas anderes einfallen lassen. Immerhin gab es genügend Methoden, jemanden um die Ecke zu bringen. Er begriff immer noch nicht, dass Helmut wegen einer vagen, an den Haaren herbeigezogenen Vermutung aufs Geratewohl nach Schenkenschanz gefahren war. Norbert und Astrid hatten nie Probleme mit Helmuts Ideen, sie sprangen sogar gern darauf an. Für Cox waren bei seiner Arbeit andere Dinge wichtig: Sorgfalt, Geduld, sicherlich Erfahrung. Es konnte auch nichts schaden, wenn man sich in andere Menschen hineinversetzen konnte, und das gelang ihm in der Regel ganz gut.
Im Bereich Nordrhein-Westfalen hatte er mittlerweile alle Colts, die infrage kamen, ausfindig gemacht und zum Beschuss schicken lassen. Vielleicht war es sinnvoll, sich zunächst mit den holländischen Kollegen in Verbindung zu setzen, bevor er seine Suche nach der Tatwaffe aufs ganze Bundesgebiet ausdehnte. Er schaute auf die Uhr, genug Zeit, ein paar Lebensmittel einzukaufen, bevor er die Recherche in Nimwegen kontaktierte. Seit ein paar Tagen kochte er zur Übung jeden Abend nach Rezept ein besonderes Gericht, schließlich konnte er Irina nicht täglich zum Essen ausführen.
Sie hatte ihm geschrieben, sie könnte gut kochen und würde ihn gern mit Spezialitäten aus ihrer Heimat verwöhnen, aber was sie so schwärmerisch aufgezählt hatte, Stockfischpastete, Teigtaschen mit Waldpilzen, vergorener Kohl – was auch immer das sein mochte –, dicke Würste und saurer Rahm, stimmte ihn nachdenklich. Mit leichter Wehmut dachte er an die bürgerliche Küche seiner Großmutter, Kohlrouladen, Rinderbraten, Erbsensuppe mit Rippchen, alles Gerichte, die er heute einfach nicht mehr vertrug.
Er stieg noch einmal aus, um den langen Wollmantel auszuziehen, den er im Oktober in Düsseldorf gekauft hatte. Ob Irina Wert auf gute Kleidung legte? Er mochte Frauen, die nicht jede Mode mitmachten, doch einen sicheren Geschmack und Gespür für Qualität hatten.
Die Fotos, die sie ihm geschickt hatte, gaben darüber keine Auskunft. Das eine war eine Porträtaufnahme, auf dem anderen räkelte sie sich im Bikini auf einem weißen Teppich.
Sie verdiente umgerechnet 150 Euro im Monat, hatte sie geschrieben. Da blieb vermutlich nicht viel übrig für besondere Kleidung, aber Geschmack hatte letztendlich wenig mit Geld zu tun, oder?
Toppe klingelte an der Vordertür, klopfte an der Hintertür, aber niemand machte ihm auf.
Schließlich fand er Dellmann im Stall bei den Rindern.
«Hier steht aber einiges an Kapital herum, schöne Tiere», meinte er mutig – er hatte nicht die geringste Ahnung von Rindviechern.
Dellmann bedachte ihn mit einem abfälligen Blick. «Kapital! Wenn ich Ihnen meine Kosten aufrechne und dann erzähle, was an Gewinn für mich übrig bleibt, fangen Sie an zu weinen.» Er nahm seine grüne Kappe ab, strich sich über die feuchte Halbglatze und setzte die Kappe wieder auf. «Was wollen Sie denn schon wieder? Meinen Häcksler hab ich längst selber repariert. Auf eure Fachleute hätt ich ja wohl noch bis nach Weihnachten warten können. Und das Geld, das Sie mir in die Hand versprochen haben, hab ich immer noch nicht gesehen!»
«Ich hab es angemahnt», meinte Toppe beiläufig. «Tut mir Leid, dass ich Sie hier so überfalle, aber im Haus hat keiner aufgemacht.»
«Der Jung ist in der Schule, und die Frau ist auf dem Markt.»
«Sie haben einen Marktstand?»
«So weit kommt’s noch. Die springt bloß für ihre Tante ein, die krank ist. Also, was gibt’s? Ich hab keine Zeit zum Faulenzen.»
«Erzählen Sie mir etwas über Willem Bouma!»
«Über wen?» Dellmann starrte ihn an.
«Ach, kommen Sie, Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass Sie Ihren nächsten Nachbarn nicht kennen!»
«Nachbar!» Dellmann spuckte aus – es schien ihm eine liebe Angewohnheit zu sein – und verfehlte nur knapp Toppes Schuhe. «Das ist ein Bekloppter, mit dem hab ich nichts zu tun.»
«Und inwiefern ist Bouma bekloppt?»
Dellmann nahm seine Kappe wieder ab und schlug sich damit in die Handfläche. «Keine Ahnung von gar nichts, aber einen auf großen Naturschützer machen, und das bei uns! Mit so einem will ich nichts zu tun haben.»
«Haben Sie Streit mit Bouma?»
Dellmann keckerte. «Da ist mir meine Zeit zu schad für.»
«Auf Bouma sind in letzter Zeit verschiedene Anschläge verübt worden.»
«Da weiß ich nix von.» Der Bauer setzte die Kappe wieder auf.
«Jetzt mal Klartext, Herr
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