Die Schanz
gerettet, un’ wie se au’ noch die Ziege holen wollt’, is’ se ertrunken. So ungefähr war dat. Die steht au’ noch im Taufregister von Rindern, ham meine Mädkes inne Schule durchgenommen, da heißt se allerdings Hanneken Sebes. Un’ wat dat Beste is’, der hochwohlige Herr Goethe hat über die ein Gedicht geschrieben, bitte schön!» Ackermann hielt inne. «Ich wusst’ ga’ nich’, dat dat die Glocke von Brienen is’, die hier auffe Schanz hängt. Nee, aber klar, man konnt’ so ’ne teure Glocke ja nich’ verkommen lassen. Bloß, verstehen Sie dat, dat die an de Evangelen gegangen is’, in unsere schwarze Gegend, mein ich?»
«Nein.»
«Is’ ja auch egal. Wat ich noch sagen wollt’, bei meine Nachforschungen gestern Abend, bis jetz’ hab ich bloß einen Schänzer gefunden, der ma’ wat mit dem Gesetz hatte: Unser Jörg Unkrig hatte in jüngeren Jahren wohl ma’ wat mit Rauschgift zu tun, aber dat is’ in unsere Ecke ja nix Besonderes. Ich bekakel dat no’ ma’ mit de Jungs vonne Drogenabteilung.»
Peter Cox saß seit halb acht im Büro und suchte weiter nach der Tatwaffe. Inzwischen hatte er ein eigenes System entwickelt, das die Sache deutlich vereinfachte.
Er war schon vor sechs Uhr voller Unruhe aufgewacht. Er hätte gestern doch besser im Präsidium warten sollen, bis Helmut und Josef aus Holland zurück waren. Andererseits hätten die sich ja auch bei ihm melden können. Säuerlich beäugte er die Aktenschuber, die sie neben seinem Schreibtisch abgeladen hatten – lauter Militärzeugs, stammte wohl aus Boumas Ferienhaus –, kommentarlos, ohne Anweisung. In Ordnung war das nicht. Die Unterlagen aus dem Haus in Schenkenschanz hatte er ordentlich in Kartons gepackt. Jedes einzelne Blatt hatte er mehrfach gelesen, jedes Foto betrachtet und versucht, ein Psychogramm zu erstellen. Oberst Bouma blieb ihm fremd, und aus dem, was ihnen bisher vorlag, ergab sich kein Mordmotiv. Die drei Bauern waren es seiner Meinung nach nicht gewesen. Sie hatten sich über die Anzeigen aufgeregt und sich mit ihren Mitteln gerächt, sogar Boumas Hund vergiftet, was schon ziemlich weit ging, aber Mord, nein, das konnte er sich nicht vorstellen. Tatsache war allerdings, dass Bouma gern seine Nase in anderer Leute Angelegenheiten gesteckt hatte, da war es natürlich denkbar, dass er bei irgendwem im Dorf auf ein dunkles Geheimnis gestoßen war. Man müsste sich bei denen einmal gründlicher umschauen, aber anscheinend brauchte man ihn ja dabei nicht. Kein Ton von Helmut seit Donnerstag.
Schon heute früh hatte er gespürt, dass er Sodbrennen bekommen würde, und eine Thermoskanne mit lauwarmer Milch gefüllt, von Medikamenten hielt er nichts.
Er goss sich einen Becher ein und nahm sich die Unterlagen aus dem Ferienhaus vor.
Auch Toppe grübelte. Es ergab keinen Sinn, sich weiter im Dorf umzutun, nicht bei der Stimmung, die heute hier herrschte: Die Schänzer kämpften Seite an Seite gegen den Feind – eine verschworene Gemeinschaft, unbesiegbar, wenn jeder seinen Platz einnahm. Auf diese Weise hatten sie jahrhundertelang dem Hochwasser getrotzt, und in derselben Weise funktionierten sie – so absurd es ihm auch erschien – in anderen Krisen.
«Wir kommen morgen wieder», sagte er zu Ackermann, «falls die Presse bis dahin abgezogen ist. Dann sprechen wir mit den beiden Torwächtern und dem Urenkel. Auch mit dem alten Molenkamp würde ich gern ein paar Worte wechseln.»
Ackermann zog ein schiefes Gesicht. «Da kommt bestimmt nix bei raus, außerdem spricht der bloß Platt.»
«Das kann ich mir nicht vorstellen, schließlich war der mal Bürgermeister, und außerdem hab ich ja Sie an meiner Seite.» Er betrachtete fasziniert ein Fenster, in dem, gleichermaßen verstaubt, eine Sansiverie, eine Fette Henne und ein Weihnachtskaktus standen, dazwischen zwei Flamingos aus knallrosa Glas. «Ich rufe Peter an», meinte er, «wir müssen uns heute noch zusammensetzen und alles mal sortieren.»
«Un’ Berichte schreiben», stöhnte Ackermann. «Laden wer Dellmann un’ Unkrig auch für Montag auffet Präsidium?»
Toppe nickte flüchtig, er hatte Cox am Apparat.
«Wat is’ dat denn für ’n Gesicht?» Ackermann kicherte.
«Peter klingt ziemlich verschnupft …»
«Wegen wat denn, wegen zu wenig Arbeit? Dat is’ mir ’n schräger Vogel, aber keine Sorge, den kriegen wer schon wieder auffe Beine. Aber vorher bringen wer Dellmann noch unsere höfliche Einladung, un’ dann werden wer ma’
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