Die scharlachrote Spionin
Sie lächelte versunken. »Frag nur Lord Lynsley. Er wird dir versichern, dass ich längst nicht perfekt bin.«
»Wenn ich das nächste Mal mit Lynsley spreche, geht es um ein anderes Thema.« Er atmete tief durch und ließ die Hände sinken. »Aber um zu dir zurückzukehren und zu den Gründen deines Aufenthaltes in London ... Dein Interesse an De Winton ist also rein beruflich bedingt?«
»Ja. Der Marquis hat mich geschickt, um herauszufinden, ob wir Korruption in Regierungskreisen nachweisen können. Er hat Anlass zu der Vermutung, dass ein Ring von Verschwörern militärische Verträge manipuliert und dass der Großsohn des Duke of Sterling den illegalen Handlungen auf die Spur gekommen war ...«
Sofia fuhr fort, die Mission so gut zu erläutern, wie sie konnte, und fasste den gegenwärtigen Stand kurz zusammen. »Wir spekulieren immer noch viel zu viel. Und die persönlichen Komplikationen mit dem Duke kamen natürlich vollkommen unerwartet. Aber im Moment dürfen sie bei meiner Arbeit keine Rolle spielen.«
»Hast du schon Fortschritte gemacht?«
»Ich habe ein paar Ideen«, erwiderte sie ein wenig ausweichend. Es war eine Sache, die Wahrheit zu sagen - und eine ganz andere, Osborne in Gefahr zu bringen. Denn schließlich hatte er genug für sie riskiert. »Es gibt ein paar Spuren, die zu verfolgen sich lohnen könnte.«
»Wie kann ich helfen?«, wollte Osborne wissen.
Eigentlich war es nicht als Frage gemeint; an seinem Blick konnte sie erkennen, dass er keine Zurückweisung akzeptieren würde.
»Deine Verbindungen in die Salons könnten sich als sehr nützlich erweisen«, erwiderte Sofia bedächtig und achtete darauf, nicht zu eilfertig nachzugeben.
»Wenn ich die fragliche Person nicht persönlich kenne, kann es sehr gut sein, dass ich mit einem engen Freund bekannt bin. Wie auch immer - ich kann mit fast jedem in Verbindung treten, und es fällt mir nicht schwer, mir einen Ruf als zuverlässige und vertrauenswürdige Person zu verschaffen.«
»Mit deinem Charme kannst du das Blaue vom Himmel herunterlügen«, stimmte Sofia lächelnd zu, hatte aber trotzdem nicht die Absicht, ihn in die Nähe des Vipernnestes zu lassen, das sie entdeckt hatte. »Obwohl ich dich gern überzeugen möchte, dich von möglichem Ärger fernzuhalten.«
»Keine Chance.«
»Irgendwie habe ich geahnt, dass du das sagen würdest.« Sofia seufzte übertrieben. »Nun gut! Wenn du wirklich helfen willst, dann wäre ich dir dankbar, wenn du dich Lord Coxe annähern würdest, um herauszufinden, wie er seine Antiquitäten erwirbt.«
Fragend zog Osborne die Brauen hoch. »Coxe? Der Mann ist über siebzig! Du hältst ihn doch nicht etwa für den Kopf einer Verbrecherbande?«
»Nicht absichtlich«, erklärte Sofia, »aber ich habe Grund zu der Annahme, dass die Nachrichten zwischen den Verschwörern im Innern kostbarer Kunstwerke transportiert werden, genau wie die wertvolle Schmuggelware.« Im Unterricht der Akademie hatte sie gelernt, dass die beste Lüge immer noch diejenige war, die ein Körnchen Wahrheit enthielt. »Es würde vielleicht ein klärendes Licht auf die ganze Operation werfen, wenn wir wissen, welches Schiffsunternehmen sich um seine Geschäfte kümmert und wer für die Auslieferung zuständig ist.«
Coxe, ebenfalls Mitglied in der Römischen Gesellschaft, war ein berühmter Sammler, der häufig Lieferungen aus ganz Italien erhielt. Und dass er ebenfalls ein netter alter Herr mit vollkommen weißer Weste war, würde sicherstellen, dass Osborne sich auf harmlosen Nebenschauplätzen herumtreiben konnte.
Sein anfangs eher skeptischer Blick wurde eindringlich und grüblerisch. »Verstehe. Ziemlich schlau, diese Dreckskerle.«
»Ziemlich«, murmelte Sofia.
Osborne schürzte die Lippen. »Wo wir gerade darüber sprechen - hat dieser Sforza nicht mit diesen Verschiffungen zu tun?«
Verdammt, er begriff schnell. Zu schnell! »Kümmere dich nicht um Sforza oder Familligi. Marco ist damit beschäftigt, ihre Geschäfte zu erkunden.«
»Marco?« Osbornes Stimme klang schärfer. »Du hast dich ihm vor mir anvertraut?«
»Marco gehört zu Lynsleys Agenten«, erklärte sie.
»Mit anderen Worten, in diesem Kerl steckt mehr als nur ein Maulheld und ein Witzbold?«
»Um aufrichtig zu sein: Er war mein Lehrer an der Akademie.«
»Gute Güte!«, brummte Osborne. »Mich schaudert bei dem Gedanken an sein Unterrichtsfach.«
»Fechten«, schmunzelte Sofia und hoffte, ihn von den Gedanken an die Scarlet Knights ablenken zu
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