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Die scharlachrote Spionin

Die scharlachrote Spionin

Titel: Die scharlachrote Spionin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Pickens
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begonnen. Wir haben fehlerfreies Sprechen ebenso gelernt wie Etikette und die traditionellen Unterrichtsfächer in der Schule. Und natürlich die Kampfkünste.«
    »Klingt anspruchsvoll«, meinte Osborne. »Ich kann mir vorstellen, dass nicht jeder die Prüfungen schafft.«
    »Der Wettbewerb um den Eintritt in die Meisterklasse ist hart. Wer es nicht schafft, wird für andere nützliche Tätigkeiten ausgebildet, wie zum Beispiel als Zofe, als Schankwirtin oder als Gouvernante. Der Marquis hat Augen und Ohren in beinahe jeder Stadt von hier bis Peking.«
    »Und du?«
    Er zog die Mundwinkel hoch. »Ich glaube, man kann behaupten, dass die anderen Merlins und ich zu Englands schlagkräftigster Geheimwaffe zählen.«
    Osborne begann, auf und ab zu marschieren. Die wabernden Schatten verbargen sein Gesicht. »Wie viele dieser weiblichen Soldaten gibt es?«
    »Die Zahl schwankt«, antwortete Sofia. »Zurzeit sind sämtliche Ränge der voll einsatzfähigen Merlins ein wenig ausgedünnt. Das liegt an ... an Umständen, auf die Lord Lynsley keinen Einfluss hat.«
    »Tod?«, stieß er mit zusammengebissenen Zähnen hervor.
    »Das kann immer passieren«, erwiderte sie sanft, »aber in diesem Fall dachte ich eher an Eheschließung.«
    »Gute Güte!« Langsam drehte er sich um. »Heißt eine deiner Kameradinnen zufällig Siena?«
    »W ... was weißt du über Siena?«
    »Nur dass sie kürzlich einen meiner besten Freunde geheiratet hat.« Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Scheint so, dass ... Nun, das ist eine lange Geschichte. Und wir müssen mit unserer eigenen fertig werden.«
    Das war noch milde ausgedrückt. Aber bevor Sofia das Thema wechselte, fügte sie noch eine Erläuterung hinzu. »Siena war eine meiner Zimmergenossinnen. Bis jetzt hatte ich noch nicht die Gelegenheit, dem Earl of Kirtland zu begegnen. Weder Shannon noch ich waren in der Lage, an den Hochzeitsfeierlichkeiten teilzunehmen. Die Vorschriften der Akademie verbieten Auftritte in der Öffentlichkeit, bei denen sich jemand fragen könnte, wer wir eigentlich sind.« Der Gedanke an ihre Freundinnen erinnerte sie daran, wie einsam und allein sie auf der Welt war. »Ich hatte keine Ahnung, dass du mit Lord Kirtland befreundet bist! Andererseits ist das nicht weiter verwunderlich. Du bist ja mit beinahe jedem in der Gesellschaft befreundet.«
    »Mit Julian ist es etwas Besonderes«, erwiderte Osborne, »er und ich, wir haben eine Menge gemeinsam durchgemacht. Auf dem Schlachtfeld lernt man schnell, welchen Kameraden man sein Leben anvertrauen würde.«
    Sie nickte. »Ja. Ich verstehe, was du meinst.«
    Er zog ein merkwürdiges Gesicht. Auch seine Stimme klang rätselhaft. »Das kann ich mir vorstellen.«
    War er schockiert über ihren Beruf? Abgestoßen? Die weiblichen Wesen in seiner Welt waren überaus vornehme, wohlerzogene Ladys mit einer Bildung, die sie in geselligen Kreisen glänzen ließ, aber nicht in den schmutzigen Künsten des Krieges.
    Obwohl sich in ihrer Brust ein Schmerz ausbreitete, zuckte Sofia die Schultern. »Zweifellos hältst du mich für einen armseligen Teufelsbraten, der es nicht wert ist, den sauberen Ladys der Salons auf Augenhöhe zu begegnen. Wie auch immer - es gibt Zeiten, da ist eine Frau am besten bedient, wenn sie das Übel mit den Wurzeln ausreißt. Und mir macht es nichts aus, mir die Hände schmutzig zu machen.«
    »Ich denke ...« Osborne wandte sich um; das Sonnenlicht überflutete sein Gesicht. »Ich glaube, du bist ohne Frage das bewundernswerteste Geschöpf, das mir jemals begegnet ist. Du beschämst mich wegen meiner eigenen blütenweißen Hände. Wir Lords und Ladys leben in einer Welt des Pomps und der Verschwendung, weil du bereit bist, unsere Privilegien zu verteidigen.«
    Ihre Wangen fühlten sich plötzlich so heiß an, als würden sie lichterloh brennen. Überrascht stellte Sofia fest, dass sie errötete. Verdammt! Sie benahm sich eher wie ein verlegenes Schulmädchen und nicht wie eine ausgebildete Soldatin. »Ich ziehe in den Kampf, um ganz England zu schützen. Den hochgeborenen Lord ebenso wie den niedrigsten Arbeiter.«
    Sein Schritt war zögernd, verhalten. Im Halbdunkel der Schatten streckte Osborne die Hände aus und umschloss zärtlich ihre Wangen. Stark. Sicher und zuverlässig. In seiner Berührung hatte nichts von einem behüteten Aristokraten an sich.
    »Das macht dich nur noch edler.«
    »Ich bitte dich, verpass mir bloß keinen Heiligenschein, Deverill! Ich bin alles andere als makellos.«

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