Die scharlachrote Spionin
vielsagenden Blick auf Sofia. »Nun gut, ich lasse Sie ziehen.« Sie verscheuchte die beiden, indem sie ein letztes Mal mit dem Finger wackelte. »Aber seien Sie gewarnt! Ich komme später noch einmal zu Ihnen, Thomas.«
»Jetzt wissen Sie, warum Lady Jersey besser als Silence bekannt ist ... sie redet nicht gern«, murmelte Lynsley, während er zwei Gläser Sekt vom Tablett eines Lakaien nahm.
Sofia nippte langsam, fühlte sich ein wenig benommen angesichts der wogenden Menge. Die ersten Takte eines Walzers erklangen, und die Paare wirbelten in eleganten Drehungen über das polierte Parkett.
Konzentrier dich!, mahnte sie sich. Inmitten der Geräusche und der schwirrenden Farben musste sie die Mitgliedern der Scarlet Knights ausfindig machen. Sie hatte sich die Namen in einer Akte gemerkt, die Lynsley über seine Agenten an sie weitergegeben hatte. Eigentlich sollte es ihr nicht schwerfallen, die vielsagenden knallroten ...
»Ah, dort ist Osborne!«, bemerkte der Marquis.
Sie unterdrückte einen frustrierten Seufzer und zwang sich zu einem höflichen Lächeln. Osborne war bestimmt nicht der Gentleman, den sie im Moment zu sehen wünschte. Aber es blieb ihr nichts übrig, als ihn zu begrüßen.
»Lady Sofia, Sie sehen aus wie ein lebendig gewordenes Gemälde von Botticelli!« Osborne beugte sich über ihre Hand.
Sofia rief sich in Erinnerung, dass sie sich vorgenommen hatte, freundlicher zu sein, und erwiderte das Kompliment mit einem schüchternen Lächeln. »Danke, dass Sie nicht Rubens gesagt haben. Dann hätte ich die Erdbeertörtchen aufgeben müssen, die ich so gern mag.«
»Rubens ist Franzose, und wir wissen alle, dass die französische Küche an einem Übermaß an Butter und Sahne leidet.«
Man musste es dem Mann hoch anrechnen, dass er sich darauf verstand, der Unterhaltung eine humorvolle Wendung zu geben.
»Wir Italiener haben auch unsere Laster.«
»Worin auch immer sie bestehen mögen, seien Sie gewiss, dass sie von den Vorzügen in Schönheit und Witz weit überflügelt werden.« Osborne beendete seine Verbeugung mit einem würdevollen Schnörkel und schnappte nach dem unbeschriebenen quadratischen Pappdeckel, der an ihrem Handgelenk baumelte. »Wie ich sehe, haben Sie den ersten Walzer auf Ihrer Tanzkarte für mich reserviert.« Er kritzelte seine Initialen in die leere Zeile - und zu ihrem Missfallen auch in die Zeile, die dem Tanz vor dem Abendessen galt.
Verdammt! Die Aussicht auf Hummerpasteten und russischen Kaviar schien plötzlich gar nicht mehr so verlockend.
Dabei war es nicht so, dass sie den Mann verabscheute. Schlimmer noch, sie hatte sogar ein wenig Angst vor ihm; beinahe hätte sie die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst. Also, um Angst handelte es sich auch nicht unbedingt ... Es gab keinen Mann, dem es gelingen würde, sie einzuschüchtern. Es war vielmehr wie eine dunkle Ahnung, eine Sorge, die aufkeimte, wenn sein träger Blick auf ihren traf. Deverill Osborne war ... der Inbegriff der Verwirrung.
Und die Mission würde schwierig genug werden, ohne dass es irgendetwas gab, was ihre Aufmerksamkeit von der Pflicht ablenkte.
Plötzlich bemerkte Sofia, dass sein Handschuh leicht über ihren nackten Arm strich. Ein Kitzel der Hitze, ein eisiger Schauder.
»Darf ich zum Tanz bitten, Lady Sofia?«
Genau wie Lynsley versprochen hatte, konnte die Contessa ausgezeichnet tanzen. Ihr schlanker Körper folgte seiner Führung mit müheloser Eleganz. Sofias Schritte waren leicht, als ob sie ein Liebeslied singen würde ... oder ein Sonett von Dante ...
Osbornes Mundwinkel zuckten. Wie nur hatte sich dieser Gedanke in seinen Kopf geschlichen? Es war ja nicht so, dass er sich in einer besonders poetischen Stimmung befand. Und Liebe, nun, das war bestimmt nicht das Gefühl, das er in Bezug auf Lady Sofia empfand! Sie hatte seine Plauderei mit perlendem Gelächter beantwortet, aber das Lächeln hatte sich nicht in ihren Augen gespiegelt. Ihr Blick wirkte kühl; trotz ihrer flüssigen Bewegungen spürte er, dass ihr Rückgrat immer noch steif war.
Wie eine wütende Katze, die den Rücken durchgebogen und die Krallen ausgefahren hatte. Oder besser, wie ein Panther. Unter der weichen Seide ihres Kleides bemerkte er fasziniert die Andeutung ihrer Muskeln.
Osborne fragte sich, womit er sich ihre Missbilligung eingehandelt hatte. Die meisten Ladys schätzten es, wenn man ein wenig mit ihnen flirtete. Sofia hingegen hatte von Anfang an klargemacht, dass sie seine Annäherungen
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