Die scharlachrote Spionin
schenkte ihr ein blitzendes Lächeln. »Bitte nehmen Sie mein verspätetes Willkommen in der Stadt entgegen! In Lord Osborne haben Sie einen ausgezeichneten Begleiter gefunden. Er ist über viele Dinge so überaus gut informiert.«
»Wie freundlich von Ihnen, Lady Sommers!« Sofia würdigte ihn keines Blickes. »Ich kann mich in der Tat glücklich schätzen, dass Lord Osborne einer vollkommen Fremden so viel Zeit opfert.«
»Ich habe meine Zweifel, dass Sie in der Gesellschaft lange als Fremde betrachtet werden«, entgegnete die Witwe. »In der Tat, wenn Sie Unterhaltungen über Kunst und Literatur nicht zu langweilig finden, müssen Sie unbedingt an einer meiner Soireen teilnehmen ...«
Osborne unterbrach sie mit einer leichten Berührung ihres Armes. »Die Musik fängt an, Lady Serena.«
»Wenn Sie wirklich meinen ...« Die Witwe zögerte; offenbar war es ihr immer noch ein wenig peinlich, dass sie gestört hatte.
Osborne ergriff sie bei der Hand und zog sie sanft auf das Parkett. »Ja, ich meine wirklich«, bekräftigte er, nachdem sie sich für die ersten Schritte aufgestellt hatten, »Sie haben mir einen großen Gefallen getan.«
Sie schien überrascht. »Wie mir zu Ohren gekommen ist, halten Sie die beneidenswerteste Stellung in der Stadt besetzt. Die Lady ist sehr attraktiv.«
»Es gibt ein altes Sprichwort, welches besagt, dass Schönheit nur oberflächlich glänzt.«
In Lady Serenas Augen glitzerte es amüsiert. »Du liebe Güte! Es ist wirklich grausam, dass Sie keinen Hehl daraus machen, wie rasch Sie die Maskerade aus Reispuder und Rouge durchschauen.«
»Ah, aber weil Sie keinen Grund haben, bei solchen Maßnahmen Zuflucht zu suchen, haben Sie auch keinen Grund, sich Sorgen zu machen.«
Lady Serena lag die Antwort schon auf der Zunge. »Denken Sie doch, was Sie wollen, Sir. Es wird Ihnen nicht gelingen, mir die Geheimnisse zu entlocken, mit denen ich mir die Verwüstungen des Alters vom Leib halte.«
Osborne lachte anerkennend. Die Lady besaß genau die Art Humor, die er schätzte. »Sie haben noch ein paar Jahre vor sich, bevor Sie sich dem unaufhaltsamen Verfall preisgeben müssen.«
»Es erleichtert mich ungemein, dass Lord Sunshine überzeugt ist, ich sollte mein Dasein lieber im Schatten fristen«, entgegnete sie spöttisch.
Das Lächeln in seinen Mundwinkeln wirkte etwas gezwungen. »Wo wir gerade über Licht und Schatten sprechen - erzählen Sie mir doch mehr darüber, wie Sie Ihren Stadtgarten gestalten wollen. Wenn ich mich recht erinnere, könnte die Höhe der Gartenmauer den Blick ...«
Sofia verlor den dunkelblauen Mantel inmitten der wirbelnden Paare aus den Augen. Wenn ich mir Osbornes boshaftes Lächeln doch nur ebenso so leicht aus dem Kopf schlagen könnte, dachte sie. Was ist nur los mit dem verflixten Kerl? Seine Manieren waren heute Abend regelrecht brüskierend gewesen.
Sie schürzte die Lippen. Wer im Glashaus sitzt, der sollte nicht mit Steinen werfen, mahnte sie sich. Hatte sie sich nicht ihm gegenüber die ganze Woche lang ausgesprochen kühl verhalten? Es kam also nicht unbedingt überraschend, dass er ihr die kalte Schulter gezeigt hatte.
»Irgendwas nicht in Ordnung, bella?« Marco versuchte, ihrem Blick zu folgen.
»Nein ... Ich bin nur nachdenklich.« Sie berührte ihn am Ärmel. »Lass uns auf die Terrasse gehen. Damit wir uns besser unterhalten können.«
»Ganz zu schweigen davon, welchen Klatsch und Tratsch wir provozieren werden.« Er senkte die Stimme und beugte sich ein Stück vor. »Die Leute starren uns schon an.«
»Umso besser.«
Das Licht der Fackeln aus Messing flackerte über den Schieferboden und die Balustrade aus Stein. Eine leichte Brise ließ die Flammen tanzen, sodass die Bewegungen zu der Melodie zu passen schienen, die aus dem Ballsaal nach draußen drang. Marco ergriff ihren Arm, und nachdem sie den Spazierweg der Länge nach abgeschritten hatten, wählte er eine auffällige Stelle am Geländer, die genau im Blickfeld der Terrassentüren lag.
»Wie läuft es?«, erkundigte er sich leise.
»Viel langsamer, als ich dachte«, erwiderte Sofia. »Ich bin zwar mit mehreren Mitgliedern der Scarlet Knights bekannt, aber es ist mir noch nicht gelungen, eine vertraulichere Beziehung zu arrangieren.« Sie starrte hinaus in den dunklen Garten und seufzte tief. »Ich wünschte, Lord Lynsley hätte mir mehr als nur vage Hinweise und Verdächtigungen geliefert. Es ist, als würde ich gegen ein Gespenst fechten.«
»Geh nicht zu hart mit dir ins
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