Die scharlachrote Spionin
Gericht, bella! Schon bald werden sich die Dinge klären. Es ist dir immerhin gelungen, dich rasch in der Gesellschaft zu etablieren. Das hast du gut gemacht.«
»Findest du?« Sie selbst war sich da gar nicht so sicher. Aus unbestimmtem Grund fühlte sie sich an diesem Abend unsicher und nervös, obwohl es einen weiteren Schritt vorwärts bedeutete, dass sie Lady Sommers Bekanntschaft gemacht hatte.
Marco war der scharfe Tonfall in ihrer Stimme nicht entgangen. »Bist du sicher, dass es keinen anderen Grund gibt, der dir Kopfzerbrechen bereitet?«
»Ja.« Selbst wenn Sofia das Bedürfnis verspürt hätte, sich ihrem Freund anzuvertrauen, hätte sie nicht gewusst, wie sie das seltsame Flattern in ihrem Innern hätte beschreiben sollen. Niemals ließ ein Merlin es zu, sich von seinen Pflichten ablenken zu lassen. Die Mission war das Einzige, was zählte, und nicht ihre persönliche Grübelei wegen Lord Osborne.
Marco drängte sie nicht. »Va bene! Dann sollten wir uns wieder dem Geschäft zuwenden. Ich habe erfahren, dass Lorenzo Sforza, meine alte Bekanntschaft aus der Lombardei, letzte Woche auf Guiliano Familligi gestoßen ist. Sforza ist schon nichts als ein habgieriger Schurke, aber Familligi ist weitaus schlimmer. Man erzählt sich, dass ...« Er unterbrach sich, bis eine mit Juwelen behängte Matrone und ihre ältliche Begleitung an ihnen vorbeispaziert waren. »Man erzählt sich, dass die beiden sich für die gesamte Saison in der Stadt eingemietet haben.« Wieder hielt er inne. »Die zwei bilden ein gefährliches Gespann. Als sie sich das letzte Mal zusammengetan haben, wurde der Duca of Spoleto, zufällig ein geschäftlicher Rivale, zusammen mit seiner Frau ermordet aufgefunden. Auf seiner Jacht im Hafen von Portofino.«
Sofia rann ein Schauder des Unbehagens über den Rücken. Noch ein Schlüssel, um das Rätsel zu lösen?
»Außerdem konnte ich den Verdacht erhärten, dass sie mit den Scarlet Knights auf freundschaftlichem Fuße stehen.«
»Sind sie heute Abend anwesend?«, fragte sie.
»Nein. Aber morgen Abend sind sie beide im Theatre Royal. Ich werde dich vorstellen.«
Sofia zog die Stirn kraus. »Lord Osborne hat bereits eine Einladung zu einem Hauskonzert angenommen.«
»Sag ab.« Marco schenkte ihr ein blitzendes Lächeln. »Das ist das gute Recht einer jeden Lady.«
»Ja, natürlich.« Der Mann hielt sie ohnehin schon für kalt und unnahbar; die Unhöflichkeit würde ihn also nicht überraschen.
»Die beiden Gentlemen stammen aus adligen Familien, die mächtige Interessen im Bankwesen verteidigen«, fuhr ihr Freund fort, »Sforza ist auch in den Handel mit Konstantinopel verstrickt.«
»Verstehe«, gab Sofia zurück, obwohl sie einen Moment lang nicht begriffen hatte, wie dieses Detail zu Lord Lynsleys Informationen passte. Aber war es nicht gerade ihre Aufgabe, herauszufinden, ob es ein Netz von Intrigen gab, das mitten in London gesponnen wurde?
Sofia unterdrückte einen Schauder, der sich anfühlte, als würden lauter kleine Dolchspitzen über ihre nackten Arme tanzen.
»Sollen wir wieder reingehen?«
»Ja. Nein.« Sie drehte sich um, erhaschte einen Blick auf Adam De Winton und Charles Lexington. Die Männer hatten sich am anderen Ende der Terrasse eingefunden und genossen ihre Rauchwaren und ein Gläschen Brandy in der Nähe einer massiven Steinvase.
Sofia war es leid, noch länger abwarten zu müssen. »Ich habe eine Idee«, meinte sie kurz entschlossen, »wir sollten De Winton beweisen, dass ich eine echte Scarlet-Lady bin.«
Marco folgte ihr am Geländer entlang über die Terrasse. »Was hast du vor, bella?«
Sofia schwieg, bis sie in der Nähe der Vase angekommen waren, zog seine Hand auf ihre Hüfte und flüsterte: »Küss mich!«
Marco brauchte keine weitere Ermutigung. Er lachte leise auf, dann drückte er sie an den verwitterten Stein und presste seine Lippen auf ihre.
»Du Wüstling!«, schimpfte sie, nachdem sie den lüsternen Kuss eine Weile hatte dauern lassen. »Ich sollte dir eine Ohrfeige verpassen!« Allerdings achtete sie darauf, ihre Worte nicht im Geringsten zornig klingen zu lassen.
»SI, aber ich kann deinem Charme einfach nicht widerstehen, cara! Es ist viel zu lange her, dass wir die Gelegenheit hatten, zusammen zu sein.«
»Schschsch! Du ruinierst meinen Ruf!«
»Als was? Als prüde und sittenstrenge Lady?« Marco liebkoste ihren Nacken und lachte heiser. »Wir beide wissen es besser.«
»Mein lieber Marco, anders als Männer können wir Ladys es
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