Die scharlachrote Spionin
fuhr mit den Fingern durch sein Haar. »Es waren nur meine glitzernden Ringe.«
»Wer zum Teufel sind Sie?« Im flackernden Kerzenlicht wirkte sein Blick dunkel und aufgepeitscht wie die stürmische See.
»Was für eine merkwürdige Frage, Sir!« Sofia atmete durch und versuchte, über den schrillen Unterton in ihrer Stimme mit leichtem Gelächter hinwegzutäuschen. »Schließen Sie wirklich so viele Ladys in die Arme, dass Sie das schon vergessen haben?« Sie knabberte an seinem Ohrläppchen. »Dann gestatten Sie, Osborne, dass ich Ihre Erinnerung ein wenig auffrische. Ich bin Sofia Constanza Bingham ...«
»Ich kenne die Namen, die Sie sich zugelegt haben, Signora della Silveri!«, unterbrach Osborne. »Nur ist es die weit drängendere Frage, wer sich unter all den seidenen Lügen verbirgt.«
»Soll das heißen, dass Sie mich als Lügnerin bezeichnen, Sir?« Sie bemühte sich, wütend zu klingen.
»Und als Diebin.« Ohne jede Warnung schoss seine Hand in die Schärpe ihres Kleides und zog die Tabaksdose hervor.
Sofia versuchte, sich die Dose zu schnappen, aber er war zu schnell.
Osborne trat zurück und hielt sie ins Kerzenlicht. »Zugegeben, ein hübsches Stück, aber in den Kabinettschränkchen finden sich viel wertvollere. Vielleicht interessieren Sie sich dafür, was darinnen verborgen ist.« Er wollte gerade den Deckel aufklappen ...
Verdammt. Sofia musste blitzschnell reagieren.
Der Wirbel. Der Sprung. Der Angriff. Mit fliegenden Gliedmaßen überbrückte sie den kurzen Abstand zu ihm. Der heftige Tritt an sein Kinn setzte ihn sekundenlang außer Gefecht, erlaubte es ihr, seine Halsschlagader zu finden und die Fingerspitzen auf seinen Puls zu pressen.
Geräuschlos sackte Osborne auf den Teppich.
»Entschuldige«, murmelte sie, rückte den bewusstlosen Körper zurecht, damit er etwas bequemer lag. Dann schaute sie sich um und griff schnell nach dem kleinen Bronze-Satyr auf dem Marmorsockel. Wenn er wieder zu sich gekommen war, würde alles danach aussehen, als wäre er unglücklich gestolpert.
»Träumen Sie süß, Sir!«, flüsterte Sofia, bevor sie sich die Tabaksdose schnappte und eilig das Zimmer verließ.
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13. Kapitel
V erdammt!
Osborne hob den Kopf vom Teppich und zuckte zusammen. Teufel noch mal, was hat mir da beinahe den Schädel zertrümmert? Immer noch benommen stützte er sich auf den Ellbogen und schaute sich um. Sein Blick fiel auf den bronzenen Satyr, der neben ihm lag. Bin ich wirklich so ungeschickt gewesen? Er konnte sich kaum erinnern, wusste noch, dass er eine Tabaksdose in der Hand gehalten hatte, aber nicht, was danach passiert war.
Er betrachtete den marmornen Sockel aus mehreren Blickwinkeln und runzelte die Stirn. Es ergab keinen Sinn. Denn er hätte vornüber und mit dem Gesicht zuerst in das verdammte Ding stürzen, die Plastik herunterreißen und sich dann genau in die andere Richtung drehen müssen. Gleichwohl gab es keine andere Möglichkeit. Es sei denn ...
Nein. Ausgeschlossen.
Behutsam rieb er sich das Kinn. Auf jeden Fall würde die Contessa ihm haufenweise Fragen beantworten müssen.
Osborne stand auf und klopfte sich den Staub von der Hose. Ja, dieses Scharmützel hatte sie gewonnen. Aber sie irrte sich gewaltig, wenn sie glaubte, dass er künftig kampflos das Feld räumen würde. Die Kriegskunst verlangte oft nach Täuschungen und Ablenkungen. Heute Abend wollte er sich zurückziehen und sie der Einbildung überlassen, dass die Schlacht vorüber war.
Es war ungewöhnlich, dass eine Frau über ein so beachtliches Arsenal an kämpferischen Fähigkeiten verfügte. Nun, eine Lady, die in der neueren Technik der Kriegsführung nicht ausgebildet war, würde dazu neigen, ihren Gegner zu unterschätzen. Wenn wir uns wieder begegnen, beschloss er stumm, sind die Karten neu gemischt. Es wird einen echten Nahkampf geben. Und dann wollen wir doch mal sehen, wer am Ende obenauf ist!
Sofia zog sich aus ihrem Versteck in der Speisekammer zurück, bezog im Treppenhaus der Dienerschaft Stellung, beobachtete die Lage und wartete darauf, dass Osborne das Arbeitszimmer verließ. Sie ballte die Faust und hoffte inständig, dass sie ihn nicht zu stark erwischt hatte.
Und wenn er doch ernsthaft verletzt ist? Aber nach ein paar Sekunden des Missbehagens verscheuchte sie ihr Mitgefühl. Nichts ging über die Pflicht. Osborne würde sich selbst um sein Wohlergehen kümmern müssen.
Schließlich
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