Die scharlachrote Spionin
Schritt, als er sie erspähte. »Aus dem Weg, Goldlöckchen! Oder willst du, dass ich dir deine hübsche Kehle von Ohr zu Ohr aufschlitze?«
»Und die Lady mit diesem Abschaum allein lassen?«, entgegnete Osborne. »Ich denke gar nicht daran!«
Die Kerle schlossen sich zusammen und blockierten sämtliche Fluchtwege. Osborne sah ein Messer aufblitzen.
»Jem, du und Harry, ihr guckt, was die Hure macht! Ich und Bill, wir kümmern uns um das Bürschchen.« Der Anführer warf ihm einen bedrohlichen Blick zu. »Benutzt Klingen statt Schießeisen! Warum die Straße mit einem Schuss aus dem Schlaf reißen?«
Unwahrscheinlich, dass es gelingt, dachte Osborne grimmig, aber vielleicht kann ich sie so lange aufhalten, bis die Contessa Alarm schlagen kann. Er ließ sich einen Schritt zurückfallen, senkte die Arme und tat so, als habe er Angst.
Verdammt! Warum rennt die Lady nicht um ihr Leben?
Er trat zur Seite, weil er hoffte, ihr ein paar zusätzliche Sekunden zu schenken, um endlich die Flucht zu ergreifen. Aber als der Anführer mit einem bösartigen Stoß nach vorn sprang, blieb ihm keine Zeit mehr, noch länger nachzudenken. Der scharfe Stahl befand sich nur wenige Zentimeter vor seiner Brust, als Osborne den Stock hochriss und hart heruntersausen ließ. Holz krachte auf Knochen, die Waffe flog durch die Luft. Osborne duckte sich unter dem ausgestreckten Arm durch und rammte dem Angreifer das Knie in die Lenden.
Ein Schrei zerriss die Stille. Der Mann plumpste zu Boden wie ein Stein.
Osborne stürzte ebenfalls, wich rollend einem seitlichen Tritt aus. Während seine Hand sich um das heruntergefallene Messer schloss, sah er etwas Rotes aufblitzen.
»Rennen Sie, verdammt noch mal!«
Sofia hatte ihren Umhang abgeworfen und sich die dicke Wolle um den Arm gewickelt. Mit ihrem provisorischen Schutzschild wehrte sie die Angriffe und Hiebe der beiden Angreifer ab. Osborne fluchte wieder. Hat sie jetzt vollkommen den Verstand verloren? Wenn sie es wirklich mit zwei riesigen Kerlen aufnehmen wollte, die bis an die Zähne mit Keulen und Messern bewaffnet waren, dann waren ihre Überlebenschancen ebenso groß wie das eines Lamms auf dem Weg zur Schlachtbank. Noch ein paar Sekunden ...
Bevor er sich rühren konnte, stürmte Sofia plötzlich vorwärts, wirbelte mit den Beinen durch die Luft und ließ die Röcke fliegen. Mit einem Ellbogen traf sie den Mann neben sich an der Kehle. Der Kerl stolperte rückwärts, schnappte gurgelnd nach Luft, bis ein Schlag mit dem ausgestreckten Arm ihn gegen die Backsteinmauer prallen ließ. Benommen glitt er auf die Knie. Blut schoss ihm aus der gebrochenen Nase.
»Dreckige Hure!« Der zweite Mann wollte sich auf sie werfen, aber sein Knurren verebbte in Schmerzgeheul. Eine Drehung des Handgelenks, ein Hüftschwung riss ihn von den Beinen und ließ ihn kopfüber auf das Pflaster stürzen.
Osborne erhob sich mühsam, gerade rechtzeitig, um den Angriff des vierten Straßenräubers zu parieren. Stahl klirrte auf Stahl, als die Messer sich kreuzten. Er konterte einen flinken Vorstoß, der beinahe ins Herz getroffen hätte. Aber dann traf eine Faust auf seine Wange, der Mann stolperte rückwärts, kreiste misstrauisch nach rechts.
Osborne rang mit ihm, hatte den Blick aufmerksam auf die messerscharfe Klinge gerichtet.
»Osborne!«, schrie Sofia.
Er drehte sich um, entdeckte, dass der Anführer wieder zu Kräften gekommen war und eine Pistole aus dem Mantel gezogen hatte.
Gleichzeitig hatte Sofia sich den zu Boden gefallenen Prügel geschnappt und holte aus zu einem Schlag auf den Schädel des Mannes. Es gelang ihm, dem Schlag auszuweichen, aber das Manöver raubte ihm das Gleichgewicht. Die Kugel explodierte an den Backsteinen weit über seinem Kopf und ließ einen harmlosen Schauer Schieferscherben herabrieseln.
»Erschießt das teuflische Weib!«, bellte er.
Osborne hatte den Kerl mit der gebrochenen Nase bereits durch einen Faustschlag niedergestreckt. Und was die anderen betraf ...
Er wirbelte herum und stellte fest, dass Sofia auf den ersten Hieb ein wahres Gewitter von Fechthieben hatte folgen lassen. Giroste, cavazione, contrapostura. Ihm stand der Mund offen. Du lieber Himmel, die Lady führt die Waffe wie ein waschechter Totenkopfhusar! Wenn sein Stock ein Säbel gewesen wäre, hätte sie die Gentlemen bereits zu Hackfleisch verarbeitet. Wie auch immer, es war anzunehmen, dass die erhobenen Arme mit Blutergüssen übersät waren, als sie angesichts des stürmischen Angriffs
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