Die scharlachrote Spionin
des Captains.
»Nein, zum Teufel noch mal! Und seien Sie versichert, das hätte ich garantiert nicht vergessen.« Porter strich sich über das Kinn. »Aber wenn ich es mir recht überlege, gab es mal Gerüchte ...« Er brach ab.
»Zweifellos steckt nicht mehr dahinter. Nur Gerüchte ...«, meinte Osborne, nachdem klar geworden war, dass der Captain seinen Worten nichts mehr hinzuzufügen hatte. »Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben! Viel Glück im Spiel.«
Plötzlich war Osborne es leid, sich ständig im Kreis zu drehen, und befahl dem wartenden Kutscher, ihn nach Hause zu bringen. Auch die Experten hatten ihm kaum weiterhelfen können.
Bis Morgengrauen musste er sich eine neue Strategie zurechtgelegt haben.
Rose klopfte leise an die Tür. »Er ist da und wartet in der Küche, Madam.«
Sofia drehte sich vom Fenster weg und hinterließ den Abdruck ihrer Handfläche auf der vernebelten Scheibe. Der Nebel waberte immer noch durch den Garten, silbergrau in der kalten Morgendämmerung. Lord Lynsley musste weit vor Sonnenaufgang aufgestanden sein, um sie so früh zu treffen; bestimmt rechnete er mit einem gewichtigen Grund.
Konnte es sein, dass die Gefühle ihr Urteilsvermögen in neblige Wolken gehüllt hatten? Sie atmete tief durch und zügelte ihre Gedanken, bevor sie die Treppe hinuntereilte. Die Erfordernisse der Pflicht waren nicht immer klar erkennbar, waren eingetaucht in flüchtige Schatten, sodass die Umrisse oftmals verschwammen.
Sofia brauchte ein paar Sekunden, bis sie den Marquis erkannte. Im Unterschied zu der sonst üblichen maßgeschneiderten Eleganz trug er zerlumptes Maulwurfsleder und verschmutztes Leinen. Er war buchstäblich bis in Fingerspitzen in dreckige Lappen gehüllt, sah aus wie der Kohlenschlepper, der gekommen war, um die monatliche Rechnung einzutreiben.
Sofia verkniff sich den Gedanken daran, was sich jetzt wohl unter den gewöhnlich makellosen Nägeln verbergen mochte.
»Bitte verzeihen Sie, Sir, dass ich Ihnen solche Unannehmlichkeiten bereite«, begann Sofia und unterbrach sich mit einem erstickten Husten. »Äh, wenn ich es genau bedenke, sollte ich vielleicht auf Abstand achten, nicht nur, weil Ihre Autorität als Lord mir Respekt einflößt.« Wieder schnüffelte sie. »Was ist das nur für ein abscheulicher Gestank?«
»Ist das Eau de Rotten Cabbage nicht nach Ihrem Geschmack?«, erwiderte Lynsley ohne mit der Wimper zu zucken. »Es hat meinen Diener große Mühe gekostet, mich mit einem so auffälligen Duft zu parfümieren.«
Plötzlich überfiel Sofia die Angst, dass er sie für unverschämt halten könnte. »Bitte verzeihen Sie, ich hatte nicht die Absicht ...«, stammelte sie.
»Entschuldigung überflüssig«, lächelte er und fuhr er fort: »Übrigens, Sie haben ganz recht: Der Gestank ist abscheulich. Aber er ermutigt die Leute auf der Straße, an mir vorbeizueilen, ohne mich eines Blickes zu würdigen.«
»Ja, Sir ... nein, Sir«, murmelte sie. Trotz seiner Selbstironie war es schwer, sich den Marquis anders vorzustellen als in der gewöhnlich gebieterischen Erscheinung. Obwohl er nicht länger selbst in geheimdienstliche Missionen eingesetzt wurde, waren die Geschichten über seine jugendlichen Beutezüge in der Akademie geradezu legendär.
»Kein Grund zur Sorge, Sofia. Sie sind ein gut ausgebildeter Merlin, und als solcher haben Sie keinen Anlass, sich sklavisch an die Etikette zu halten.« Er bedeutete ihr mit einer Handbewegung, sich an den Tisch zu setzen. Der Koch und das Küchenmädchen hatten sich in die Waschküche zurückgezogen, sodass sie offen reden konnten. »Aus Rose' Nachricht konnte ich entnehmen, dass es Dringliches zu besprechen gibt.«
»Ja, Sir.« Rasch schob sie den Zettel hinüber, den sie in Lord Roberts Kunstwerk gefunden hatte, und begann mit ihrer wohlvorbereiteten Erklärung über die Notwendigkeit des Treffens. »Eigentlich hätte ich Ihnen das hier durch die üblichen Kanäle senden sollen, aber angesichts Ihrer Arbeitszeiten in Whitehall hatte ich befürchtet, dass das Papier nicht mehr rechtzeitig bei Ihnen eintreffen könnte. Wie Sie sehen, ist es weitgehend verschlüsselt, aber es scheint ein Datum zu enthalten.« Sie zeigte auf die Zahlenreihe. »Übermorgen. Es könnte sich um eine Lieferung oder Verschiffung handeln, und daher dachte ich, dass Sie so schnell wie möglich darüber unterrichtet sein wollen.«
Der Marquis studierte das Papier eine kleine Ewigkeit.
Vielleicht hatte sie zu heftig reagiert. In
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