Die Schatten der Vergangenheit
Kinderspiel!«
»Von wegen ›Gruppe‹! Seit wann sind zwei eine Gruppe?!«
»Halt die Klappe und konzentrier dich!«
Ich gehorchte und versuchte mein Äußerstes. Zu viel Zeit verging, bevor grüne Funken aufstoben und ich mich wieder normal zu fühlen begann. Ich summte wieder.
Ein kalter Windstoß trocknete meine Tränen, die völlig unbemerkt geflossen waren, und ich erschauderte. Gabriel taumelte erschöpft, und ich zog meine mentalen Mauern wieder hoch, um ihn zu schützen. Dann setzte ich mich auf und stemmte mich von ihm weg. Ich stand auf, und er ließ es zu. Die Decke fiel zu Boden. Ich ging ein Stück weg und schob die Hände in die Taschen meiner Jeans. Sobald ich entdeckt hatte, dass er meinetwegen sterblich wurde, war ich zu einem Entschluss gekommen. Zeit, etwas zu ändern.
»Du musst gehen, Gabriel.«
»Wenn meine Gefühle der Grund sind, dann …« Seine Stimme verlor sich. Er seufzte. »Ich habe jetzt schon das Gefühl, als hätte ich Asher verraten. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, dass ich dir jetzt einen Ring schenke oder dich bitte, mich auf den Abschlussball zu begleiten.«
Er versuchte, seine Verlegenheit mit Selbstironie zu überspielen. Ich hatte Gabriel immer für arrogant und hochmütig gehalten. Und wie! Und das war er auch, aber er hatte seine Gründe gehabt. Er hatte absichtlich von mir Abstand gehalten,um sich zu schützen. Um was hatte ihm das gebracht? Gar nichts.
»Ich möchte, dass du verschwindest, Beschützer«, sagte ich in kaltem Ton.
Genug. Schmerz und Tod – nicht mehr meinetwegen.
Gabriel, der gerade die Decke aufheben wollte, hielt inne. »Was redest du da?«
»Ich gehöre hierher, zu meinem Großvater und seinen Leuten. Meinen Leuten. Ich werde zulassen, dass sie Tests mit mir durchführen. Wenn ich die Antwort auf jedermanns Probleme bin, dann wäre es egoistisch von mir, mich dagegen zu wehren. Und wenn du bleiben würdest, würdest du dich da nur wieder einmischen. Ich brauche dich nicht mehr, okay?«
»Hör auf damit, Remy!«
Ich machte trotzdem weiter und blickte dabei angestrengt auf einen Punkt über seinem Kopf. Der Wald erinnerte mich an den Townsend Park und an Asher und an einen Tag, an dem wir beschlossen hatten, zusammenzubleiben und uns gemeinsam unserer ungewissen Zukunft zu stellen. Hätte er sich in dem Bewusstsein, dass er kurze Zeit darauf sterben würde, immer noch so entschieden? Die Erinnerung festigte meinen Entschluss. Es war das Richtige, selbst wenn ich Gabriel dafür wehtun musste. Besser Schmerzen als den Tod.
Ich zielte auf seine empfindlichste Stelle. »Gabriel, ich mache mir nichts aus dir und werde es auch nie. Es wäre Schwachsinn, wenn du weiter hier rumhängst und meinst, daran könnte sich etwas ändern.«
Noch nie hatte ich jemanden mit Absicht derart verletzt, und am liebsten hätte ich laut herausgeschrien: Bitte, verzeih mir, es tut mir so leid. Mein Magen krampfte sich zusammen, und ich hätte meine Worte nur zu gern zurückgenommen.Stattdessen biss ich mir auf die Lippen und straffte meine Schultern.
»Hey, Remington?«
Gabriels liebevoller Ton erwischte mich völlig unvorbereitet. Ich sah in seine Augen und entdeckte, dass er mich – die Arme vor der Brust verschränkt – anlächelte.
»Erinnerst du dich an den Abend, an dem du mir den Arm gebrochen hast, weil ich Asher bedroht hatte?«
Verdutzt, dass er jetzt damit kam, nickte ich. Ich hatte das Training nicht ernst genommen, weshalb es Gabriel für angebracht hielt, mir zu demonstrieren, dass meine Unaufmerksamkeit Asher in einem Kampf das Leben kosten konnte. Ich war so außer mir gewesen, dass ich Gabriel von der gegenüberliegenden Raumseite aus den Arm gebrochen hatte, ohne selbst Hand anzulegen. Seitdem hatte ich so etwas nur noch einmal zuwege gebracht: Als Dean Asher bedroht hatte. Ich war froh darüber, denn als ich Gabriel an jenem Abend verletzt hatte, hatte ich mich vor mir selbst gefürchtet.
»Nachdem du mir den Arm gebrochen hattest«, fuhr Gabriel fort, »hast du dich mit Asher gestritten. Ich konnte natürlich nur seinen Standpunkt dazu hören, weil er deine Gedanken las. Du warst so sauer, dass du ihn schließlich angebrüllt hast, er solle aus deinem Kopf verschwinden. Erinnerst du dich noch, was er daraufhin sagte?«
Ich dachte an jenen Tag zurück. Während wir stritten, waren meine Mauern oben gewesen, aber meine Gedanken hatte Asher trotzdem gehört. Auf die Art hatten wir herausbekommen, dass meine Mauern ihn bei
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