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Die Schatten der Vergangenheit

Die Schatten der Vergangenheit

Titel: Die Schatten der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corrine Jackson
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und enthüllte noch mehr Verletzungen. Ich hätte zwar gern angefangen, ihn zu heilen, doch wäre ich danach in so schlechter Verfassung gewesen, dass Gabriel sich um uns beide hätte kümmern müssen. Da wartete ich lieber, bis wir in Sicherheit waren. Entschlossen, San Francisco hinter uns zu lassen, fuhr Gabriel fast zwei Stunden in nördliche Richtung. Dabei mussten wir auch durch das Presidio und so nahe am Haus meines Großvaters vorbei, dass ich beinahe auf sein Haus hätte spucken können. Dann befanden wir uns weiter nördlich auf dem Highway 101 und überquerten die Golden Gate Bridge, als sich die Sonne voll erhob und ihre Strahlen über die Bucht aussandte. Auf merkwürdige Art und Weise wirkte der Sonnenaufgang wie ein Versprechen. Ein Versprechen, dass sich die Dinge zum Besseren wenden würden. Ich kämpfte gegen Tränen an. Dafür war jetzt noch keine Zeit.
    Schließlich erreichten wir Guerneville, ein kleines Städtchen, das am Russian River lag, und hielten vor einer kleinen Pension an. Umgeben von Redwood-Wäldern und Weinkellereien, konnte man sich hier in Ruhe die Wunden lecken. Da ich noch am menschlichsten aussah, organisierte ich uns das Zimmer. Gabriel trug Asher in den Raum, und ich folgte ihnen mit unseren Taschen und einem Verbandskasten der Luxusklasse, den wir gerade gekauft hatten.
    Gabriel trug Asher ins Badezimmer und stieg mit ihm in die Duschkabine. Dann machten wir uns beide schweigend daran, ihn auszuziehen. Jedes abgelegte Kleidungsstück enthüllte Unmengen weiterer Verletzungen. Gabriels Gesichtszüge verhärteten sich, und ich kämpfte mit einem Kloß im Hals. Was hatten sie ihm angetan?
    »Ich bring sie um!«, stieß Gabriel leise hervor.
    Asher, alles wird gut. Ich verspreche es.
    Gabriel sah mich unsicher an, und ich begriff, dass wir bei Ashers Boxershorts angelangt waren. Ich lief rot an, bedeutete Gabriel aber, weiterzumachen. Schamgefühle waren hier fehl am Platz. Sobald Asher nackt dastand, trat ich zurück, und Gabriel drehte die Dusche an, so heiß es ging, und stellte Asher direkt unter den dampfenden Wasserstrahl. Schmutz, Blut und Ruß sammelten sich in kleinen Bächen, die an Ashers Körper hinabrannen und dann in einem Strudel den Abfluss hinunterwirbelten. Er hatte in diesen Wochen sehr viel Gewicht verloren, und auch seine Muskeln waren nicht mehr so kräftig wie zuvor. Hatten sie ihm überhaupt etwas zu essen gegeben?
    »Warum schaust du nicht, ob du in meiner Tasche etwas zum Anziehen für ihn findest?«, fragte Gabriel. »Ich komme jetzt auch allein klar.«
    Fast schon rannte ich aus dem Badezimmer, um seiner Bitte nachzukommen, und sobald ich allein war, setzte ich mich aufs Bett und heulte los. Sie hatten Asher gefoltert. Sie hatten ihn wochenlang gefangen gehalten, ihm immer und immer wieder Schmerzen zugefügt, und er war durch mich sterblich genug geworden, um sie alle zu empfinden. Wie konnte ich ihn auch nur darum bitten, mir zu verzeihen? Ich würde es ihm nicht verdenken können, wenn ich in seinem Leben nun keinen Platz mehr hatte.
    Aus dem Badezimmer hörte ich das beruhigende Gemurmel Gabriels, der mit Asher sprach. Asher antwortete nicht, und ich fragte mich, was Gabriel ihm gesagt haben mochte. Ich zwang mich, aufzustehen, um sowohl für Asher als auch für Gabriel auf dem anderen Bett frische Klamotten bereitzulegen. Es kam mir komisch und zu intim vor, das für beide Brüder zu machen. Danach sank ich in die Hocke und kauerte mich in die Zimmerecke.
    Schließlich wurde das Wasser abgedreht, und ich hörte, wie Gabriel Asher herumbugsierte. Ich sprang auf, als die Tür endlich aufging und Gabriel seinen Bruder auf dem nächsten Bett ablegte. Das Ganze hatte Gabriel offensichtlich sehr erschöpft. Unter seinen Augen hatten sich dunkle Ringe gebildet und er war leichenblass.
    »Gabriel, du siehst entsetzlich müde aus«, sagte ich ihm. »Warum ruhst du dich nicht aus, und ich schaue mal, was ich tun kann?«
    Er schenkte mir ein schwaches Lächeln und schüttelte den Kopf. »Es gibt kein Ausruhen, bis wir nicht alle versorgt sind.« Er wollte warten, um mich zu unterstützen, wenn ich heilte, was ich von Asher übernehmen würde.
    Bist du sicher?
    »Nun mach schon, Remington!«
    Ich wandte meine Aufmerksamkeit Asher zu. Gabriel hatte ihm lediglich eine Shorts angezogen, und beim Anblick seines geschundenen Körpers zuckte ich wieder zusammen. Auch in sauberem Zustand sah er noch furchterregend aus. Ich atmete durch die Nase und inhalierte

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