Die Schatten der Vergangenheit
nicht retten«, spottete Xavier.
Mich beschlichen die alten Zweifel. Fast jeder in meinem Leben hatte mich im Stich gelassen, meine Mutter eingeschlossen. Zudem gab es keinen ersichtlichen Grund, wieso Gabriel jetzt, wo sein Bruder in Sicherheit war, sein Lebennoch aufs Spiel setzen sollte. Die Blackwells konnten verschwinden und zu ihrem alten Leben zurückkehren, ohne dass es einen Unterschied machte. Dann dachte ich an Gabriels leidenschaftliches Versprechen. Ich komme und hole dich da raus. Was immer geschieht! Die Sorge verflog, und ich richtete die Waffe mit ruhiger Hand auf Xavier. Er riss die Augen auf und verengte sie dann zornig.
»Da liegst du falsch. Also los. Nur zu!«
Xavier stürzte sich auf mich. Ich war wie benommen, als plötzlich seine Hand auf meiner lag. Ich stolperte und versuchte, das Gleichgewicht zu halten. Nahm nur noch wahr, wie mir Xavier die Waffe aus der Hand schlug und im selben Moment eine Druckwelle den Raum erfasste. Weit aufgerissene Augen starrten auf mich herunter. Ich bündelte für den Fall der Fälle meine ganze Energie. Dann fiel sein Blick auf den dunklen Fleck, der sich über seiner Brust ausbreitete. Er hatte sich selbst ins Herz geschossen, als er nach der Waffe greifen wollte. Soviel war mir klar. Asher hatte mir einmal erzählt, dass sich Beschützer von bestimmten Wunden nicht mehr erholen konnten. War dies eine davon?
Xavier brach zusammen, was mich völlig kalt ließ. Er hatte Asher gefoltert und Yvette umgebracht. Wenn er starb, na, wenn schon? Neben mir bewegte sich etwas, und als ich den Kopf hob, sah ich Mark. Er packte mich mit beiden Händen und zog mich hoch. Ich trat um mich, und er schleuderte mich gegen die Wand. Ich knallte mit dem Hinterkopf mit solcher Wucht dagegen, dass ich in meinem Schädel Glocken läuten hörte, und sackte dann in mich zusammen, zu benommen, um den nächsten Schlag zu parieren.
Mark stand über mir, aber irgendwie sah ich Deans Gesicht. Die Welt erstarrte in den Qualen der Erinnerung, als er mit dem Bein ausholte, um mir einen Tritt zu verpassen.
Plötzlich durchbrach ein Truck die Wand des Wohnzimmers und brach in Flammen aus.
Ich war in einem dieser beschissenen Action Movies gelandet.
Der Truck erwischte Mark mit der Stoßstange an den Beinen, und ich hörte, wie Knochen zu Bruch gingen. Er fiel nach vorn, und ich rollte mich schnell weg. Ein gebrochenes Bein – selbst zwei – hielten einen empfindungslosen Beschützer nicht weiter auf.
Drei hätten wir, dachte ich. Bleiben noch zwei.
Der Beschützer rannte zur Fahrertür und riss sie auf. »Niemand drin!«
Er warf einen Arm hoch, um sein Gesicht abzuschirmen. Das Feuer loderte in der Fahrerkabine, der Benzintank war also nicht explodiert. Jemand hatte im Truck Feuer gelegt, bevor er ihn ins Haus hatte fahren lassen. Gabriel .
Ich rutschte an die Wand zurück, um mich beim Aufstehen abzustützen. Das Glockengeläut in meinem Kopf hatte sich zu einem Pfeifton reduziert. Zu einem nervigen Pfeifton, der mir Kopfschmerzen bereitete. Die Frau sprang auf mich zu, riss mich am Arm und zog mich auf ihrem Weg zur Küche mit. Ich stolperte und versuchte, mein Gewicht in die entgegengesetzte Richtung zu werfen. Nachdem das nichts half, ließ ich mich auf den Boden fallen, sodass sie gezwungen war, mich mitzuschleifen.
Sie fluchte und hätte mir beinahe den Arm aus der Gelenkpfanne gerissen. Doch da erschien Gabriel in der Küchentür, und sie ließ von mir ab. Ehe sie auch nur einen Mucks machen konnte, hatte er ihr schon einen Faustschlag ins Gesicht versetzt. Sie flog nach hinten.
»Alles okay?« Gabriel hob mich hoch.
Wie aus dem Nichts tauchte hinter ihm der letzte Beschützerauf. Er hielt ein Messer in der Hand und zielte auf Gabriel. Ich wollte ihn mit einem Schrei warnen, aber es war zu spät.
Gabriels Augen weiteten sich, als der Beschützer plötzlich in die Knie ging. Aus einer klaffenden Wunde an dessen Kopf sickerte Blut. Er stöhnte. Asher stand neben ihm, und eine zerbrochene Tischleuchte fiel ihm aus den Händen.
»Remy!«, hauchte Asher mit einem ungläubigen Blick. Dann wurde er ohnmächtig.
Gabriel und ich eilten zu ihm. Gabriel hob ihn hoch und warf ihn sich über die Schulter.
»Nimm die Waffen mit!«, befahl er.
Ich tat es und rannte hinter ihm her zum Auto. Bei der schwachen Straßenbeleuchtung konnte ich Ashers Gesicht nicht sehen, und mir zerriss es beinahe das Herz, wie er da so leblos über Gabriels Schulter hing.
Ich wandte meinen Blick
Weitere Kostenlose Bücher