Die Schatten der Vergangenheit
Gedanke gab mir wieder Auftrieb. Wie so oft mit Dean, kämpfte ich mich in die Realität zurück. Mit geschlossenen Augen ließ ich meinen Schutzwall herunter. Vor meinem geistigen Auge malte ich mir aus, wie mir ein Armknochen brach. Nichts Großartiges, aber doch schmerzhaft genug, um die Aufmerksamkeit der beiden zu erregen. Und dann ließ ich das Summen beginnen.
»Lass das!«, rief Asher, während Gabriel zur selben Zeit »Remy, nein!« schrie.
Ich schlug die Augen auf und hielt inne. Sie torkelten ein Stück von mir entfernt herum, kaum noch in der Lage, sich auf den Beinen zu halten. Gabriel hob den Saum seines T - Shirts, um sich die blutige Nase damit abzuwischen. Eines seiner Augen war bereits dabei, zuzuschwellen. Asher war mit Blutergüssen durch Gabriels Fäuste bedeckt. Eine Lippe war angeschwollen und zwei seiner Handknöchel waren aufgeplatzt und bluteten.
Es war so sinnlos. So dumm und leichtsinnig.
Ich bebte vor Wut. All die Stunden, die wir mit Ashers Heilung verbracht hatten, all die Verletzungen, die ich von ihm übernommen hatte, und dann ging er so rücksichtslos mit seinem Körper um. Die ganze Mühe umsonst! Wenn ihnen ihre Gesundheit so wenig wert war, dann konnten sie mich mal!
»Schluss jetzt!«, sagte ich. »Ich werde nicht mehr länger zwischen euch stehen!«
Ich machte Anstalten, davonzurennen. Ich musste es.
Kaum hatte ich zwei Schritte gemacht, da fragte Asher in düsterem Ton: »Bist du in ihn verliebt?«
Gerade hatte ich wieder zu ein bisschen Ruhe gefunden, doch nun brannte bei mir endgültig eine Sicherung durch.
»Du Idiot!«, schrie ich. Ich marschierte zu ihm und versetzte ihm einen Hieb, so fest ich konnte. Da er das nicht erwartet hatte, flog er auf den Rücken. Ich stellte mich über ihn. »Wieso machst du so was? Wie kommst du darauf, zu denken …«
Ich biss mir auf die Zunge. Nichts war gelöst. Bis Asher mich kennengelernt hatte, waren die beiden Brüder ein Herz und eine Seele gewesen. Und jetzt herrschte zwischen ihnen blanker Hass. Weil ich, wie auch immer, mit ihnen beiden einen Bund eingegangen war. Ich fuhr mir durchs Haar. Ich würde das wieder in Ordnung bringen, auch wenn das hieß, dass ich beiden Lebewohl sagen musste.
»Antworte einfach«, rief Asher. »Liebst du ihn?«
»Nein!«, rief Gabriel, und ich hätte am liebsten losgeschrien. Das war doch alles nicht zum Aushalten. Ich holte tief Luft. »Tut mir leid, Gabriel. Du weißt, dass ich dich wirklich gern habe. Es ist nur so …«
Kopfschüttelnd schnitt er mir das Wort ab. »Lüg nicht,damit ich mich besser fühle. Bitte nicht. Das macht es nur schlimmer.« Er verzog schmerzvoll das Gesicht und hielt sich den Bauch.
»Falls du glaubst, ich heile dich, dann hast du dich geschnitten. Die ganzen Schmerzen hast du dir redlich verdient. Schließlich hast du es doch darauf angelegt, dass Asher auf dich losgeht!«
Er schenkte mir ein Lächeln. »Remington, du hast so eine fiese Ader!« Völlig reuelos zuckte er mit den Achseln. »Was soll ich sagen? Ich bin stinksauer. Er kriegt das Mädchen!« Er drehte sich zu Asher und warf eine Handvoll Dreck auf ihn. »Du kriegst das Mädchen, Arschloch!«
»Du bist in sie verliebt.«
Asher klang nicht mehr wütend, und Gabriel nickte niedergeschlagen. »Jepp.«
Tu’s nicht, Gabriel.
Wieder ein kleines Lächeln. »Ich liebe dich, Remy.«
Das hatte er zuvor noch nie gesagt. Er hatte meine Gefühle für Asher gekannt und hatte diese Worte sorgfältig gemieden. Nun waren sie heraus. Ein Ich liebe dich ließ sich nicht zurücknehmen. Was sollte ich darauf antworten?
»Sag gar nichts. Bitte!«
Angesichts seiner trübseligen Miene ging mein Herz für ihn auf. Es tut mir leid, wenn ich dir das Gefühl gegeben habe, dass …
»Stopp! An deinen Gefühlen hast du nie einen Zweifel gelassen.« Gabriel rappelte sich auf und winkte ab, als ich ihm helfen wollte. »Ihr braucht mal ein bisschen Zeit für euch allein, glaube ich. Sag ihm, dass ich das nicht absichtlich gemacht habe. Mach es ihm verständlich. Machst du das für mich?«
Ich nickte.
Gabriel wandte sich zu Asher um. »Eigentlich hätte sie zuerst einen Bund mit mir eingehen müssen, aber sie hat dich gewählt. Immer und immer wieder, mit jedem Gedanken hat sich dich gewählt!«
Mit einem traurigen Lächeln humpelte Gabriel davon.
»Remy?«, fragte Asher verwirrt.
»Oh, Asher. Du hast ihn falsch eingeschätzt.« Ich sank neben ihn und streckte meine Hand aus. Nach einem Augenblick legte er
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