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Die Schatten der Vergangenheit

Die Schatten der Vergangenheit

Titel: Die Schatten der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corrine Jackson
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verschwand.



Ich rannte geradewegs zum Aussichtspunkt am Ende der Welt und kam dabei an Stellen vorbei, die mir so vertraut waren, dass es wehtat. Die Betonabsperrung, gegen die ich mit dem Wagen in der Nacht geprallt war, als mich Dean umzubringen versucht hatte, stand dort immer noch Wache, und ich sprang locker drüber hinweg.
    Ein paar Tage waren vergangen, ohne dass ich etwas von Gabriel gehört hatte. Mit Asher hatte ich gesprochen, und gestern hatte er sogar einen kurzen Abstecher zu mir gemacht. Dass Gabriel und ich einen Bund eingegangen waren, hatte ich ihm noch nicht erzählt, da der richtige Augenblick dafür irgendwie noch nicht gekommen war. Aber Asher konnte spüren, dass etwas nicht stimmte. Den Großteil unserer gemeinsamen Zeit hatte ich damit zugebracht, ihn von meinen Gedanken abzublocken, und das war einfach nicht normal für uns.
    Wind und Wetter hatten das Felsgestein der Klippen erodiert, aber es war nicht eingezäunt. Bis auf ein paar Einheimische, die hier spazieren gingen, verirrte sich kaum jemand hierher. Ich marschierte direkt an den Rand, und lose Erde und Steine fielen nach unten, weit in die Tiefe zum felsigen Uferdarunter. Am Horizont verschmolzen Wasser und Himmel zu einer blauen Endlosigkeit, die durch zarte orangefarbene Wolken, die von der untergehenden Sonne entflammt wurden, durchbrochen war. Das letzte Mal, als ich hier gestanden hatte, hatte Dean versucht, mich zu töten, hatte mir gedroht, mich von dem Felsen hinunterzustoßen. Seitdem war ich gefoltert, benutzt und wiederum beinahe getötet worden. Ich war von einem Teil meiner Familie hintergangen worden, und ich hatte den anderen Teil belogen.
    Alles hatte sich unwiderruflich verändert. Zu Hause lief nicht alles rund, obwohl ich mich entschuldigt hatte. Ich hatte ihnen erklärt, mein Entschluss, bei Franc zu leben, sei ein Fehler gewesen, gab aber keine genaueren Gründe an. Ich hatte das Vertrauen meiner Familie verloren, und es würde einige Zeit dauern, bis ich es zurückgewonnen hätte. Aber es war der Mühe wert. Noch nie war ich so glücklich gewesen wie hier, und ich hatte alles für nichts und wieder nichts aufs Spiel gesetzt.
    Plötzlich überkam mich grenzenlose Wut. Sämtliche Gefühle, die sich in den letzten Tagen in mir aufgestaut hatten, wollten sich endlich Bahn brechen. Ich warf den Kopf zurück und schrie, so laut ich konnte, in den Wind. Das Schreien ging in ein Schluchzen über, und ich stützte die Hände auf den Oberschenkeln ab und atmete schwer. Dann fiel ich erschöpft auf die Knie.
    Mein Großvater. Asher. Gabriel. Meine Familie. Meine Mutter. Dean. Erin. Alcais. Yvette. Namen und Gesichter schwirrten in meinen Kopf herum. Zu viel war geschehen. Ich war so verzweifelt, dass ich weder ein noch aus wusste.
    Nur eines wusste ich mit Sicherheit: Ich wollte niemandem mehr wehtun.

    Sobald die Sonne untergegangen war, kühlte die Luft ab. Ich hörte ihn nicht kommen, aber jemand schob mein Haar zur Seite und umfasste meinen Nacken.
    »Remington.«
    Gabriel setzte sich im Mondschein neben mich. Meine Haare flogen im Wind, und er bändigte sie und ließ seine Finger zärtlich hindurchgleiten. Scheinbar begriff er, was er tat, denn plötzlich hielt er inne und ließ die Hände fallen.
    Er seufzte. Nach einem Augenblick schlang er den Arm um mich und zog mich an seine Seite. In den letzten Wochen hatten wir oft so dagesessen, doch wie intim diese Geste war, ging mir erst jetzt auf. Wir hatten uns daran gewöhnt, für den anderen da zu sein. Und irgendwie kam mir das, was mir geholfen hatte, zu überleben, nun verkehrt vor. Wie sollten wir nun, da Asher zurückgekehrt war, damit umgehen?
    »Ich weiß es nicht«, sagte Gabriel. »Ich weiß es wirklich nicht.«
    In der Nähe schrie eine Eule. Ich wünschte, der Mond würde nicht so hell scheinen, damit er meinen Gesichtsausdruck nicht sah.
    »Wo ist Asher?«
    »Er sucht nach dir. Wir dachten, es sei an der Zeit, miteinander zu reden. Er hat dich im Townsend Park vermutet. Da habe ich mich bereit erklärt, mich hier nach dir umzuschauen.« Er zuckte die Achseln und ließ seinen Arm fallen. »Wir können davor nicht wegrennen.«
    »Ich weiß. Es tut mir leid.« Gabriel, wir müssen es ihm sagen.
    »Das werden wir, Remington.«
    Ätzend, das alles.
    »Wir machen es gemeinsam.«
    Ich überlegte mir mehrere Möglichkeiten, das Gespräch zu eröffnen, aber keine davon funktionierte.
    Trotz all seiner zur Schau gestellten Furchtlosigkeit, klang Gabriel ebenfalls

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