Die Schatten der Vergangenheit
entsprochen?«
Einen Augenblick senkte ich niedergeschlagen den Kopf. Er wusste Bescheid. »Was soll ich darauf antworten? Mom hat mir eingeschärft, dir nichts von mir oder meinem Vater zu erzählen. Sie hat dir nicht über den Weg getraut.« Meine Stimme wurde brüchig, als Xavier Asher erneut traktierte. »Und recht hatte sie, oder?«
Mein Großvater bedeutete Xavier etwas, und der Beschützer ließ mit einem fiesen Blick in meine Richtung ein wenig von Asher ab. Ich hätte sichergehen müssen, dass er in dem Feuer umkam! Warum war ich nicht zurückgekehrt, um mich zu vergewissern? Wie dumm von dir, Remy!
»Warum bist du hier, Franc?«
»Deinetwegen.«
»Du willst mich töten.«
»Das liegt ganz bei dir!« Er seufzte. »Wir brauchen dich. Du kommst mit zurück und lässt die Tests mit dir machen. Du machst alles, worum wir dich bitten, damit wir herausbekommen, wie wir die Beschützer besiegen können.«
In meinem Kopf verspürte ich ein dumpfes Pochen. Also wollte er doch eine Laborratte aus mir machen. »Und sie?« Ich warf einen Blick zu Xavier und dem anderen Beschützer. »Die helfen dir bei deinem Plan und verraten dabei ihresgleichen. Was haben sie davon?«
Auf meinen Vorwurf hin blickte Xavier nicht auf. Er lächelte.
»Ist doch klar, dafür kriegen sie dich«, sagte Franc. Ich riss entsetzt die Augen auf, und er fuhr hastig fort. »Nein, nein, nicht so, wie du denkst. Ich bin ja kein Unmensch. Immerhin bist du meine Enkeltochter. Ich würde nie zulassen, dass siedich töten.«
»Was dann?«, brachte ich heraus.
»Alle anderen Heilerinnen sterben ja, wenn die Beschützer ihnen die Energie rauben. Du dagegen bist imstande, dich zu heilen. Wenn du dich ihnen fügst und tust, was sie dir sagen, muss niemand sonst sein Leben lassen. Du machst das nicht mir, sondern den Heilerinnen zuliebe, Remy. Mädchen wie Erin werden nun ganz erstaunliche Dinge vollbringen können. Wer weiß, wie viele Leben du retten wirst? Und du zahlst keinen so hohen Preis. Nach dem, was du für Melinda getan hast, weiß ich, dass du dazu in der Lage bist. Klar, vielleicht brauchst du zwischen einem und dem nächsten Beschützer ein paar Tage, um dich zu kurieren, aber ich kümmere mich um dich, das verspreche ich. Du kannst das. Denk daran, wie viel Gutes du bewirken wirst.«
Eine unheimliche Stille breitete sich zwischen uns aus.
Er glaubte, was er sagte. Sein Gesicht leuchtete auf, und er verzog die Lippen zu einem freundlichen, ermutigenden Lächeln. In seinen Augen hatte er für ein hässliches Problem eine einfache Lösung gefunden. Ich würde als Erlöserin der Heilerinnen fungieren, nur hatte die Sache einen Haken: Die Zukunft, die er für mich beschrieb, klang trostlos und brutal. Mein Großvater würde mich zu etwas viel Schlimmerem machen als zu einer Laborratte. Meine Kehle schmerzte von ungeweinten Tränen. Das letzte Geschenk meiner Mutter. Sie hatte mich zu ihm geschickt, weil ich bei ihm in Sicherheit war. Tolle Sicherheit. Hatte sie verstanden, wie seine Vorstellung von »Sicherheit« aussehen würde?
In meinem Kopf ratterte es, aber mir fiel kein Ausweg ein. Vielleicht sollte ich einfach nicht länger dagegen ankämpfen. Hatte ich mich nicht die ganze Zeit über gegen diese Zukunft gestemmt? Zumindest käme meine Familie, wenn ich sie jetzt verließe, ungeschoren davon.
Asher würgte und schrie: »Remy, nein! Lauf!« Xavier schlug ihm auf den Hinterkopf, und er stöhnte auf.
Franc betrachtete Asher, als wäre er nichts weiter als ein Gegenstand. »Ich kann ihn nicht am Leben lassen. Das ist dir doch klar, oder?«
Ich schnappte nach Luft und flehte: » Bitte! Ich geh mit dir. Ich mache, was immer du willst. Die Tests, die Heilerinnen … Ich wehre mich gegen nichts davon. Aber bitte, lass ihn laufen!«
Asher wehrte sich nun mit aller Macht, und Xavier und der andere Mann schlugen und traten ihn abwechselnd, bis er dalag und mit jedem Atemzug Dreck einatmete. Ich umklammerte die Kante der Steinbank, um Ruhe zu bewahren, obwohl ich am liebsten zu ihm gerannt wäre. Doch das hätte Franc verhindert.
Er legte seine Hand auf meine, und ich kämpfte gegen den Drang an, sie wegzustoßen. »Ich weiß, jetzt bist du wütend, aber dir wird schon noch einleuchten, dass dies der richtige Weg ist. Diese Beschützer haben dir vorgegaukelt, sie seien die Guten, dabei wissen wir doch beide, dass das nicht stimmt. Beschützer sind gar nicht fähig, Gutes zu tun!«
»Du weißt, was ich bin«, sagte ich in
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