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Die Schatten der Vergangenheit

Die Schatten der Vergangenheit

Titel: Die Schatten der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corrine Jackson
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zögerte, bevor ich ihm die CD hinhielt.
    »Ich sollte dich warnen, Erfreuliches ist da eher nicht drauf. Meine Mutter war kein … sonniger Mensch.«
    Mit einer Miene, die ich nicht deuten konnte, nahm Franc die CD. Mit einem leisen »Gute Nacht!« ging er und ließ die Tür einen Spalt offen. Ich fragte mich, ob er sich die CD je anhören würde?
    Nachdem ich mir meinen Schlafanzug angezogen hatte, schickte ich Asher eine SMS mit einem Update. Er antwortete umgehend, als hätte er schon darauf gewartet, von mir zu hören. Ich fand es furchtbar, dass ich ihn nicht anrufen konnte, doch ich wollte nicht, dass mein Großvater sich fragte, mit wem ich sprach. Bald schickten wir uns noch einen Gute-Nacht-Kuss, und ich schloss die Augen in der Hoffnung, der nächste Tag würde einfacher.

    Die Stimme meiner Mutter weckte mich.
    Sie klang gedämpft, als spräche sie aus der Ferne. Ich setztemich im Bett auf und schob mir das Haar aus dem Gesicht. Es dauerte zwei Sekunden, bis ich begriff, dass ihre Worte mir vertraut waren. Im Grunde hätte ich sie auswendig aufsagen können, so oft hatte ich mir die Aufnahme angehört. Sie beschrieb gerade ihre Eltern und ihre Kindheit und wie es war, immer auf Achse zu sein.
    Wir haben zurückgezogen gelebt, sind oft umgezogen, und beide sind Gelegenheitsarbeiten nachgegangen. Meine Mutter war Haushälterin, und mein Vater war immer da zur Stelle, wo’s gerade brannte. Sie bemühten sich, mir das Leben so normal wie möglich zu gestalten, aber mein Vater meinte, es sei nötig, dass wir unauffällig blieben. Als Kind hat mich das nicht gestört.
    Wir hatten nie viel, aber es reichte.
    Leise stand ich auf und ging auf Zehenspitzen in den Flur. Unten im Wohnzimmer brannte Licht. Ich wünschte, ich hätte meinem Großvater ihre nächsten Worte ersparen können. Meine Mutter war gerade dabei, den Tag zu schildern, an dem er in der Schule aufgetaucht war und sie aus dem Klassenzimmer gezogen hatte. Er war blutbefleckt und hatte gerade mit ansehen müssen, wie seine Frau ermordet worden war. Er war mit Anna geflohen, um sie vor den Beschützern zu verstecken, allerdings erst, nachdem sie sich aus der Ferne ihr brennendes Wohnhaus hatte ansehen müssen.
    Mein Vater tat, was meine Mutter sich gewünscht hätte. Er rettete mich und stellte sicher, dass wir uns versteckt hielten.
    Ich verweilte am oberen Treppenabsatz und fragte mich, ob ich zu ihm gehen sollte, doch etwas hielt mich davon ab. Als ich mir diese Aufnahme zum ersten Mal angehört hatte, hatte ich auch allein sein wollen.
    Aber er sah mich nie mehr an wie früher. Ich glaube, er hasste mich.
    Die Aufnahme lief weiter, aber ich konnte ihre Worte nichtmehr verstehen. Sie gingen im Schluchzen meines Großvaters unter. Das herzzerreißende Geräusch verfolgte mich noch lange, nachdem ich in mein Zimmer zurückgeschlichen war.
    Mom hatte sich am Tod ihrer Mutter die Schuld gegeben. Ich gab mir die Schuld am Tod meiner Mutter. Und nun tat es mein Großvater auch.
    Schuldzuweisungen ohne Ende, und für jeden schien etwas dabei zu sein.



Beim Frühstück am nächsten Morgen erwähnte mein Großvater seinen traurigen Ausflug in die Vergangenheit nicht, und ich sprach ihn auch nicht darauf an. Stattdessen war er wieder ganz der gut gelaunte Hüne, der mich vom Flughafen abgeholt hatte. Bis auf seine dunklen Augenringe wies nichts darauf hin, dass ich mir seinen nächtlichen Tränenausbruch nicht nur eingebildet hatte.
    »Na, Remy, was würdest du heute denn gern unternehmen?«
    Er bot an, mir die Stadt zu zeigen, doch so sehr ich auch darauf Lust gehabt hätte, war ich doch aus einem bestimmten Grund hier.
    »Meinst du, wir könnten die anderen Heilerinnen treffen, von denen du mir erzählt hast? Ich bin noch nie jemandem wie mir begegnet.«
    Ich brauchte meine Neugierde nicht zu heucheln. Bislang hatte sich meine Gabe durch Ausprobieren weiterentwickelt. Von meiner Mutter hatte ich bis zu der verdammten iPod-Aufzeichnung überhaupt nichts erfahren, und da war es schon zu spät. Selbst sie war sich nicht ganz im Klaren gewesen, inwiefern meine Beschützer-Gene meine Fähigkeiten als Heilerin beeinflussten.
    Mein Großvater lächelte.
    »Dass du das sagen würdest, hatte ich gehofft. Es gibt eine Menge Leute, die dich unbedingt kennenlernen wollen.«
    Nachdem wir die Küche aufgeräumt hatten, stiegen wir in den Truck. Einen kurzen Moment lang hätte ich schwören können, Asher im Rückspiegel zu sehen. Er hatte versprochen, ein Auge auf

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