Die Schatten der Vergangenheit
ab, die mich noch mit etwas verband, woran mir lag.
Nach dem Gespräch mit meinem Vater, das ich schließlich einfach abgewürgt hatte, war ein Punkt erreicht, an dem ich keinen weiteren Schmerz mehr ertragen konnte und zu keinen weiteren Tränen mehr fähig war. Eine Art Unfähigkeit, irgendetwas zu empfinden, überkam mich, und ich war froh darüber.
Gabriel und ich nahmen einen Zug in die Stadt. Unterwegs rief er Lottie an und bat sie, für den Fall, dass die Beschützer nach Blackwell Falls kämen, besser unterzutauchen. Er wollte unsere Feinde in dem Glauben wiegen, dass die Beschützer Blackwell Falls zusammen mit der Stadtheilerin verlassen hatten. Nachdem er sich von ihr verabschiedet hatte, blickten wir schweigend aus dem Fenster. Es gab nichts zu sagen.
In San Francisco verließen wir den Bahnhof und Gabriel winkte uns ein Taxi herbei. Den Fahrer bat er, uns einige Straßen vom Haus meines Großvaters entfernt abzusetzen. Nachdem er den Fahrer bezahlt hatte, stiegen wir aus, und ich wandte mich auf dem Bürgersteig Gabriel zu.
»Schaffst du es von hier aus zu Fuß?«, fragte er besorgt.
Um ihn zu beruhigen, nickte ich.
»Okay«, murmelte er. Er schien noch etwas sagen zu wollen,verkniff es sich aber. Ich schlang mir gegen den kühlen Wind die Arme um die Taille, und er setzte hinzu: »Denk dran, ich habe aus der Ferne ein Auge auf dich. Dir passiert nichts, das verspreche ich.«
Wieder nickte ich. Gabriel glaubte wohl an das, was er sagte. Doch Asher hatte genau das gleiche behauptet. Ich verließ ihn und marschierte zu dem Lokal, in dem ich des Öfteren mit meinem Großvater gefrühstückt hatte. Gabriel hatte vorgeschlagen, ich solle von dort aus Franc anrufen und ihn bitten, mich abzuholen. Es wäre weniger verdächtig, wenn ich vorgab, mit dem Bus zu dem Café gefahren zu sein. Ich würde auch so schon genug zu erklären haben.
Im Café fragte ich, ob ich meinen Großvater anrufen dürfe. Ich muss bemitleidenswert ausgesehen haben, denn die Kellnerin, die uns hier immer mal wieder bedient hatte, reichte mir sofort das kabellose Telefon.
»Hallo?« Franc nahm beim ersten Läuten ab, als hätte er auf meinen Anruf schon gewartet.
»Franc, ich bin in dem Café bei dir um die Ecke. Kannst du mich abholen?«
»Bin sofort da«, erwiderte er und legte auf.
Draußen setzte ich mich auf die Bordsteinkante und wartete. Keine fünf Minuten später hielt mein Großvater in seinem Truck auch schon vor mir an. Er umrundete die Kühlerhaube und riss mich in einer Umarmung an sich, die meine Rippen zu brechen drohte. Irgendwo in der Nähe beobachtete uns Gabriel, und wenn ich etwas über meinen Großvater gelernt hatte, dann, dass mindestens einer seiner Männer gerade dasselbe tat.
Franc ließ mich los und sah mich an. »Wo bist du denn nur gewesen?«, fragte er mit sorgenvoll gefurchter Stirn.
»Beschützer«, sagte ich nur.
»Oh, Remy«, flüsterte Franc mit rauer Stimme.
Gabriel hatte gesagt, Franc würde mir glauben, wenn ich ihm erzählte, ich sei den Beschützern entkommen. Keine Ahnung, woher Gabriel das wusste, aber er hatte recht. Franc schien sofort zu begreifen, was ich alles durchgemacht haben musste, auch wenn mir überhaupt nichts davon anzusehen war. Er schloss mich wieder in seine Arme, und mir blieb erneut fast die Luft weg. Ich ließ es geschehen, und er hielt mich geraume Zeit, obwohl ich seine Umarmung nicht erwiderte.
Das Verhör dauerte Stunden. Dorthea, ihr Mann und ein paar andere Männer, die ich noch nie gesehen hatte, gesellten sich in Francs Wohnzimmer zu uns. Sie stellten eine Frage nach der anderen. Bis auf die Tatsache, dass ich Asher und Gabriel völlig aus dem Spiel ließ, blieb ich so nahe an der Wahrheit wie möglich.
Ich hatte einen Spaziergang gemacht, war überrumpelt und niedergeschlagen worden. Ich war in einem Gefängnis zu mir gekommen, ohne eine Ahnung, wie die Beschützer mich entdeckt hatten. Sie hatten mich gefoltert. Ich hatte meine Fähigkeiten bei ihnen eingesetzt, war geflohen und um mein Leben gerannt. Sobald ich in der Stadt war, hatte ich meinen Großvater angerufen. Was aus den Beschützern geworden war, wusste ich nicht. Ich beschrieb Xavier und Mark, und meinem Großvater war sofort klar, um wen es sich handelte.
»Sie leben in der Stadt«, sagte er. »Wir beobachten sie schon seit Monaten, und es hat sich keinerlei Hinweis ergeben, dass sie wissen, dass wir hier leben.«
»Ich glaube, die beiden haben Yvette auf dem Gewissen.«Ich
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