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Die Schatten des Mars

Die Schatten des Mars

Titel: Die Schatten des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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Projekts. Ich schlage vor, Sie schauen sich das Ganze zu Hause an und wir sprechen später in Ruhe darüber.«
    Der Wink war deutlich, und so blieb Julius nichts anderes übrig, als aufzustehen und ein paar Dankesworte zu murmeln, bevor ihn der Professor zurück zum Parkplatz begleitete und sich verabschiedete.
    Einige Minuten nachdem er das Taxi bestellt hatte, entschloß sich Julius, dem Fahrzeug ein Stück entgegenzulaufen. Unter dem Dach der riesigen alten Bäume roch es nach feuchtem Laub und Pilzen. Vögel zwitscherten hoch in den Zweigen und irgendwo hämmerte ein Specht.
    Fehlt nur noch ein Teich, dachte Julius in einer seltsamen Mischung aus Übermut und Beklommenheit. Am besten mit gelben Seerosen in der Mitte.
    Er fragte sich, ob dieser Kevin tatsächlich so lief, atmete, sah und empfand wie er selbst, oder ob der Professor sich einen Scherz mit ihm erlaubt hatte. Und manchmal ertappte er sich dabei, daß er nach oben durch die Wipfel der Bäume spähte, als gäbe es dort etwas zu entdecken, das sich üblicherweise der Wahrnehmung entzog ...
     
    Ein halbes Jahr später war ihm der Weg durch den Eichenhain bereits zur Gewohnheit geworden. Professor Prohaska hatte ihm eine Hilfsassistentenstelle besorgt, und so fuhr Julius beinahe täglich nach den Lehrveranstaltungen hinaus ins Institut, um sich dort nützlich zu machen.
    Mittlerweile hatte er sich so weit eingearbeitet, daß er die wichtigsten Überwachungs- und Analysetools bedienen und selbständig Auswertungen erstellen konnte. Doch auch ohne Zugriff auf den Datenpool wäre ihm rasch klar geworden, daß das Projekt in einer Krise steckte.
    Kevin Schwarz verweigerte die Kommunikation.
    Er befolgte zwar nach wie vor die Anweisungen des Personals, redete aber kein einziges Wort mehr. Wenn er angesprochen wurde, lächelte er freundlich, gab jedoch keine Antwort. Visiten und Therapiesitzungen wurden so zu einer sehr einseitigen Angelegenheit. Fast schien es, als hätte der Patient von einem Tag auf den anderen die Sprache verloren. Natürlich hatten die Techniker sofort die entsprechenden Module überprüft, waren aber auf keinerlei Fehler gestoßen.
    Es gab erbitterte Diskussionen zwischen Systemanalytikern, Programmierern und Psychologen, ohne daß man der Ursache für das Phänomen auch nur einen Schritt nähergekommen wäre. Kevins Bewußtsein – sofern es überhaupt existierte – entzog sich jeglicher Kontrolle von außen. Man vermochte zwar die Aktivitäten der einzelnen Module und die Zugriffe auf die Assoziativspeicher zu analysieren, aber letztlich erwiesen sich diese Bemühungen als genauso fruchtlos wie Versuche, aus dem EEG eines Menschen auf dessen Gedanken zu schließen. Natürlich war es ohne weiteres möglich, das Experiment abzubrechen, aber das wäre gleichzeitig auch das Eingeständnis der Niederlage gewesen.
    Julius traf den Professor nur noch selten. Wenn sie sich zufällig begegneten, blieb es beim Austausch von Höflichkeiten und Allgemeinplätzen. Der kleine Mann wirkte noch unkonzentrierter als sonst, beinahe abwesend. Von seinen engeren Mitarbeitern erfuhr Julius, daß er mehr als zwanzig Stunden täglich arbeitete – woran genau, darüber konnten auch sie nur spekulieren. Das sei allerdings früher kaum anders gewesen; ganz offensichtlich war der Professor ein Mann, der nicht allzu viel von Teamarbeit hielt.
    Kevin Schwarz schien nichts von der Aufregung zu bemerken, die sein Schweigen verursachte. Er ging spazieren, nahm seine Mahlzeiten ein, und wenn man ihn ansprach, lächelte er freundlich. Anfangs hatte Julius viele Stunden damit verbracht, den Mann im blauen Trainingsanzug zu beobachten, bis ihm klar geworden war, daß sich Kevin keine Blöße geben würde. Etwas war falsch an ihm, das spürte Julius instinktiv, aber es gab keine Möglichkeit, hinter die lächelnde Fassade seines virtuellen Gesichts zu blicken. Sie befanden sich in einer Sackgasse!
    Eine Lösung war nicht absehbar, und so erledigte Julius die ihm übertragenen Aufgaben zwar zuverlässig, aber ohne größeres Engagement. Meist beschäftigte er sich mit Dingen, die nicht in seinem Vertrag standen. Hin und wieder nahm er Datenträger und Manuale mit nach Hause, achtete aber darauf, daß sie am nächsten Tag wieder an ihrem angestammten Platz lagen. Zunächst war sein Interesse nur allgemeiner Natur gewesen und eine spätere Nutzung der Unterlagen rein hypothetisch. Doch das hatte sich mittlerweile geändert. Und natürlich hatte es mit Julia zu

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