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Die Schatten des Mars

Die Schatten des Mars

Titel: Die Schatten des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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meiner bescheidenen Hütte!« grüßte der Fremde ebenso lautstark wie überschwenglich und machte Anstalten, den Mann zu umarmen.
    Sein braungebranntes Gesicht wirkte freundlich und offen, auch wenn der forschende Ausdruck in seinen Augen nicht recht zu seiner herzlichen Begrüßung passen wollte. Das Alter des Fremden war schwer zu schätzen, seine schlanke Gestalt und das dichte schwarze Haar ließen ihn vermutlich jünger erscheinen, als er in Wirklichkeit war.
    »Guten Tag«, erwiderte der Mann höflich. »Könnten Sie mir vielleicht sagen, wo wir uns hier befinden?«
    »Oh ja, das kann ich, lieber Freund«, verkündetet der Fremde großspurig. »Im Augenblick befindest du dich unmittelbar vor Emilio Francettis grandioser Seifenblasenschau und der Chance deines Lebens, ha ha. Ich hoffe, du siehst mir die vertrauliche Anrede nach, aber unsere Zeit ist zu wertvoll, um sie mit Förmlichkeiten zu verschwenden. Du möchtest dir doch sicher ein paar von meinen Ausstellungsstücken ansehen?«
    »Gewiß doch«, murmelte der Mann verlegen. »Aber für den Augenblick interessiert mich eher, was das für eine seltsame Landschaft ist und weshalb ich mich an nichts erinnern kann.«
    Der Fremde lächelte und erwiderte freundlich: »Ich fürchte, dafür gibt es einen recht unerfreulichen Grund, mein armer Freund: Du bist leider schon ein Weilchen tot, und Tote haben nun einmal gewisse Schwierigkeiten mit ihren Erinnerungen.«
    »Unsinn«, erwiderte der Mann, aber sein Widerspruch klang wenig überzeugend. Bis zu diesem Augenblick war es ihm gelungen, seine Ängste zu verdrängen. Er hatte versucht, vor ihnen davonzulaufen, hatte sich keine Pause gegönnt, um nicht über seine Situation nachdenken zu müssen ...
    Das bedeutete allerdings nicht, daß er die Worte des Fremden ernstnahm. Unter anderen Umständen hätte er ihn einfach ausgelacht und wäre seiner Wege gegangen. Aber was waren seine Wege?
    »Du glaubst mir nicht«, stellte Francetti bekümmert fest. »Womöglich nimmst du sogar an, daß ich mir einen Scherz mit dir erlaube. Einen üblen Scherz, wie ich meine, denn mit diesen Dingen spaßt man nicht.« Das Zucken in seinen Mundwinkeln strafte den Ernst seiner Wort allerdings Lügen.
    »Dreh dich um, Martin Lundgren!« befahl der Fremde plötzlich mit einer Stimme, die jeden Widerspruch ausschloß. »Dreh dich um, und dann nenne mich einen Lügner!«
    Der Mann zuckte zusammen, als er seinen Namen hörte. Wie war es nur möglich, daß er ihn vergessen hatte?
    Martin versuchte, Francettis spöttischem Blick standzuhalten und wandte sich schließlich mit einem gewollt gleichmütigen Schulterzucken um.
    Sengende Hitze schlug ihm ins Gesicht.
     
    Die Stadt brannte.
    Aber das war nur der erste Eindruck, verursacht durch den heißen Wind und die aschefarbene Rauc h wolke, die über der Stadt stand.
    In Wirklichkeit existierte nichts mehr, das noch hätte brennen können. Die ausgeglühten Ruinen ragten wie übe r dimensionale Grabsteine in den grauen Himmel. Lava quoll aus breiten, kirschrot glühenden Rissen, die die Straßen wie ein feuriges Muster durchzogen. Bösa r tig zischend bahnten sich Kaskaden glühender Dämpfe ihren Weg durch die blase n schlagende Masse. Nur der Fluß wälzte sich träge und unbeeindruckt an der toten Stadt vorbei, trug geduldig die Last der Trümmer und der verkohlten Körper, die der Fe u ersturm vor sich hergetrieben hatte. Dichter Nebel stieg von seiner Oberfläche auf, der die Toten barmherzig vor den Bli c ken des Betrachters verbarg.
     
    Martin sank auf die Knie und verbarg sein Gesicht in den Händen. Er hatte die Stadt sofort erkannt. Schließlich hatte er einmal dort gelebt ...
    »Das ist nicht wahr«, flüsterte er verzweifelt.
    »Wirklich nicht?« Die Stimme Francettis klang jetzt sanft, beinahe mitfühlend. »Ich weiß, es tut weh, aber du solltest dir über deine Situation klar werden. Es hat keinen Sinn, Dingen nachzutrauern, die nicht mehr zu ändern sind. Komm mit, ich möchte dir etwas zeigen!«
    »Was?« Martin ließ die Hände sinken und wandte sich vorsichtig um. Die Stadt war verschwunden. Die rote Wüste hatte die schrecklichen Bilder ausgelöscht.
    »Nun mach schon, komm!« Der Fremde streckte Martin die Hand entgegen und half ihm auf. »Bevor wir uns meine kleine Sammlung ansehen, sollten wir uns etwas stärken, du siehst etwas blaß aus, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.«
    Trotz des gerade überstandenen Schreckens mußte Martin lächeln. Vorsichtig stieg er

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