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Die Schatten des Mars

Die Schatten des Mars

Titel: Die Schatten des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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Informationen. Es wird dich führen.«
    »Wann?«
    »Wann immer du dich entschließt – nicht heute. Es ist spät, und du bist erschöpft. Wenn du dem Chanan gegenübertrittst, wirst du all deine Kraft und Entschlossenheit benötigen.«
    »Was ist dieser Chanan?« fragte Martin und bemühte sich, das Zittern in seinen Knien zu unterdrücken. »Eine Art Orakel?«
    »Nein.« Die Antwort kam zögernd, beinahe widerwillig. »Der Chanan beantwortet keine Fragen. Es gibt keine Möglichkeit, mit ihm zu kommunizieren. Dennoch wirst du vielleicht Dinge über dich selbst erfahren, die schmerzhaft sind. Sinngemäß übersetzt bedeutet Chanan – Spiegel der Se e le.«
    Martin dachte darüber nach, kam aber zu keinem befriedigenden Ergebnis. Was er bislang über diesen geheimnisvollen See – den Chanan – erfahren hatte, erklärte nicht, wie der ihm helfen konnte, Anna zu finden. Deshalb wiederholte er seine eingangs gestellte Frage noch einmal:
    »Wie sollte der Chanan mir helfen?«
    »Er lernt dich kennen und trifft eine Entscheidung. Möglicherweise.«
    »Dann ist er so etwas wie – Gott?«
    Die Stimme antwortete nicht. Dafür geschah etwas mit der dunkel glühenden Gestalt, die noch immer den Weg aus dem Tal versperrte. Sie verlor innerhalb von Sekundenbruchteilen ihre Stabilität, zerbrach in Hunderte winziger Segmente, die ihren Glanz verloren und lautlos zu Boden fielen. Der brennende Mann war verschwunden.
    Mit offenem Mund starrte Martin in die Richtung, in der die Erscheinung buchstäblich zu Staub zerfallen war, doch es war nichts zurückgeblieben – nicht einmal Asche. Der Boden vor ihm war hart gefroren wie der der Umgebung. Winzige Eiskristalle glitzerten im kalten Licht der Sterne.
    Martin mußte die Rummdogs nicht rufen. Sie hatten sich im gleichen Augenblick in Bewegung gesetzt, in dem die leuchtende Erscheinung verschwunden war. Argwöhnisch beschnüffelten sie den Boden und formierten sich schließlich für den Abmarsch.
    Das Tal lag leer und verlassen vor ihnen. Nur der Wind sang leise zwischen den Felswänden, und so blieb es, bis sie im Morgengrauen den Ausgang der Schlucht erreichten.
     

Adrienne
    von Heidrun Jänchen
     
    Sylvie schlug die Tür hinter sich zu, lehnte sich daran und rutschte langsam hinunter. Ein Weinkrampf schüttelte sie. Mit einem Mal war der Schmerz wieder da, als sei es erst gestern gewesen. Das Wort atypisch echote in ihrem Kopf. Warum sie? Warum ...
    Doch diesmal drängte sich ein anderes Gefühl in ihre schwarzen Gedanken: Scham. Sie hatte Madame Martin angeschrien. »Warum halten Sie nicht einfach die Klappe?« hatte sie gebrüllt, und dabei war die alte Frau immer freundlich zu ihr gewesen. Sylvie rang erschöpft von ihrem Ausbruch nach Luft. Dabei hatte Madame Martin ihr doch nur von der Frau aus dem dritten Stock erzählen wollen, die mit ihrem Baby aus der Klinik gekommen war.
    Ein Mädchen. Was für ein süßes kleines Ding.
    Warum mußte es auch noch ein Mädchen sein!
    Unbeholfen, als stecke sie in einem fremden Körper, erhob sich Sylvie und ging ins Bad, um sich das Salz vom Gesicht zu waschen. Verwundert starrte sie in ihre verweinten Augen. Sie hatte Madame Martin angeschrien. Warum ausgerechnet das sie so erschütterte, wußte sie selbst nicht. Daß sie ihre Arbeit verloren hatte, daß Jacques sie verlassen hatte – sie hatte es mit stumpfem Gleichmut ertragen, als logische Folge des Unglücks, das über sie hereingebrochen war. Jetzt jedoch gelang es ihr nicht, sich als Opfer zu fühlen.
    Etwas mußte geschehen. Entschlossen trocknete sie sich ab, verließ die Wohnung und klingelte gegenüber.
    Madame Martin öffnete. Sie schien mehr verblüfft als gekränkt.
    »Es tut mir leid«, quetschte Sylvie heraus. »Es war nur …« Wieder würgte sie der Schmerz, und sie verstummte aus Angst, erneut loszuheulen.
    »Hatten Sie eine Fehlgeburt?« fragte die alte Frau.
    Sylvie schüttelte den Kopf. »Adrienne. Sie war schon vier. Sie…«
    »Kommen Sie herein, mein Kind. Ich mache Ihnen einen Kaffee.«
    Die winzige Wohnung bestätigte, was Madame Martins abgetragene Kleidung andeutete: Sie überlebte mit einer kargen Sozialrente und unerschütterlicher Anständigkeit. Ein Strick hielt den Stuhl zusammen, auf den Sylvie sich setzte. In einer Nische drängten sich Kühlschrank, Herd und Spülbecken zusammen. Gleich daneben blubberte die Kaffeemaschine. Sylvie nahm all das überdeutlich wahr, als sei sie gerade aus einem jahrelangen Dämmerschlaf erwacht. Das Blumenmuster

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