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Die Schatten des Mars

Die Schatten des Mars

Titel: Die Schatten des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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hätten sie ihn sonst aufs u chen sollen?
    »Und die wäre?«
    Wieder vergingen endlose Sekunden, bis sich die Stimme erneut vernehmen ließ, und wieder gab ihm die Antwort Rätsel auf: »Du brauchst Hilfe.«
    Wieso? wollte Martin fragen, begnügte sich dann aber mit einer abwehrenden Geste, die so etwas wie »Ich komme schon zurecht« ausdrücken sollte.
    »Nein, Martin«, dieses Mal reagierte die Stimme sofort. »So stark ist niemand. Schau genau hin.«
    Im gleichen Augenblick hob die flammende Gestalt vor ihm den Kopf. Mit einem Aufschrei wich Martin zurück und verbarg sein Gesicht in den Händen. Was er gesehen hatte, war eine grausig entstellte Kopie seiner eigenen Gesichtszüge! Der brennende Mann war kein anderer als er selbst!
    »Der Schmerz frißt dich auf«, wiederholte die Stimme in seinem Kopf unbarmherzig, »wenn du nichts dagegen unternimmst.«
    »Aber es geht mir gut!« schrie Martin. »Mir fehlt nichts!«
    »Bist du dir da ganz sicher?« Und plötzlich war da noch eine andere Stimme. Eine Stimme, die Martin nur zu vertraut war: » Mach’s gut, Marty«, sagte sie, und es klang wie ein Versprechen, »Du wirst doch auf mich warten ...?«
    »Aber sie ist nicht gekommen«, hörte sich Martin rufen, während ihm die Tränen in die Augen schossen. »Ich hab sie doch überall gesucht ... ich hab sie doch überall ...«
    Dann versagte ihm die Stimme. Er sank auf die Knie, verbarg sein Gesicht in den Händen und begann zu weinen. Er bemerkte nicht, daß die Flammen schwächer wurden, die den brennenden Mann einhüllten. Und er registrierte auch nicht, daß die Rummdogs aufgesprungen waren, um ihrem Herrn beizustehen, wenn es die Situation erforderlich machte.
    Martin sah nichts, hörte nichts und spürte nichts mehr. Kapitän Lundgren, der Mann, der als erster Mensch den Mars betreten hatte, war beschäftigt. Er weinte.
    Er weinte nicht nur um Anna, die er für seinen Traum aufgegeben und für immer verloren hatte. Er weinte um alle Dinge, die hätten sein können und die niemals sein würden. Er weinte um den Verlust seiner Jugend und des Glaubens, daß letztlich alles gut werden würde.
    Er hatte dreißig Jahre lang keine Träne vergossen und eine Menge nachzuholen. Eine Flut von Erinnerungen stürmte auf ihn ein. Erinnerungen an seine Eltern, seine Heimatstadt, an Freunde, die er schon vor Jahrzehnten aus den Augen verloren hatte. Er war seinem Traum gefolgt und hatte sie hinter sich gelassen. Doch erst jetzt wurde ihm bewußt, wie sehr er sie vermißte. Nie zuvor hatte er sich so einsam gefühlt – und so verloren.
    »Du brauchst Hilfe«, wiederholte die Stimme in seinem Kopf, doch Martin weigerte sich, sie zur Kenntnis zu nehmen. Die Trauer hüllte ihn ein wie eine graue, undurchdringliche Nebelwand. Erst als der Strom seiner Tränen allmählich versiegte, weil er nicht einmal mehr die Kraft zum Weinen besaß, drangen die Worte bis in sein Bewußtsein vor.
    Niemand kann mir helfen, dachte er verzweifelt. Ich geh ö re nicht mehr in ihr Leben und sie nicht in meines. Ich habe Anna verloren. Für immer.
    »Du irrst dich, Martin«, ließ sich die Stimme erneut vernehmen, »Nichts geschieht für immer. Es gibt einen Ort, an dem man dir helfen kann. Möglicherweise.«
    Es dauerte einige Sekunden, bis sich Martin soweit gefaßt hatte, daß er antworten konnte: »Welchen Ort?«
    »Es ist ein See, tief unter den Felsen eines der Täler, die ihr Valles Marineris nennt. Es gibt kein Wort in deiner Sprache für das, was er darstellt.«
    Obwohl Martin nicht zu erkennen vermochte, was ein unterirdischer See mit Anna zu tun haben sollte, weckten die Worte seine Neugier. Umständlich und ein wenig verlegen richtete er sich auf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
    Die Flammen, die den brennenden Mann eingehüllt hatten, waren mittlerweile erloschen. Dennoch schimmerte die Gestalt seines Gegenübers in einem dunklem Rot, als glühe sie von innen her.
    »Wie sollte ein See mir helfen?« verlieh Martin seinen Zweifeln Ausdruck.
    »Es ist kein natürlicher See«, erklärte die Stimme. »Unsere Vorfahren benutzten ihn in einer bestimmten Phase ihrer Entwicklung. Jetzt bedürfen wir seiner nicht mehr.«
    »Ich verstehe nicht. Was ist er?«
    »Du wirst es erfahren, Martin, wenn du dich entschließt, dir helfen zu lassen.«
    »Ihr würdet mir also den Weg dorthin zeigen?«
    »Das ist nicht mehr nötig«, erwiderte die Stimme. »Das Mechanowesen, dem du den Namen Merope gegeben hast, besitzt alle notwendigen

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