Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
Vom Netzwerk:
sollte. »Aber ich finde schon einen Weg. Ich finde immer einen Weg.«
    »Sie sind ein interessanter Mann, Gerry Fegan.« Der auffällige Halbmond von Maries Lippen verursachte ihm ein Kribbeln. »Ich würde Sie gerne besser kennenlernen, wenn Sie mich lassen.«
    Er schlug die Augen zu Boden, wo Zigarettenstummel und Kaugummis auf dem Gehweg festgetrampelt worden waren, lauter Zeug, das die Leute nicht mehr im Mund haben wollten. »Ich bin keiner, den man besser kennenlernen sollte«, sagte er.
    »Das werden wir ja sehen«, sagte Marie.
    Aus den Augenwinkeln konnte er ihr Gesicht nicht erkennen, aber er stellte sich vor, wie Marie McKenna gerade lächelte und sich neckisch auf die Unterlippe biss. Er musste es ihr jetzt sagen.
    »Paul McGinty hat mich gebeten, Ihnen etwas auszurichten.«
    Marie veränderte neben ihm ihre Haltung. »Nanu?«
    Fegan starrte weiter auf den Müll zu seinen Füßen. »Er will, dass Sie weggehen. Er sagt, dass Sie jetzt, wo Ihr Onkel tot ist, hier nicht mehr sicher sind.«
    Marie sprang auf und streckte die Hand nach ihrer Tochter aus. »Komm, Ellen. Zeit zu gehen.«
    Der Ton in der Stimme ihrer Mutter ließ Ellen herumwirbeln. Protestierend kräuselte sie die Stirn. »Noch nicht, Mummy!«
    »Keine Widerrede«, befahl Marie. »Komm jetzt!«
    »Warten Sie!«, rief Fegan und stand auf.
    Marie drehte sich zu ihm um. »Sagen Sie McGinty, er kann mich mal. Sie haben mich schon damals nicht vertreiben können, und jetzt wird es ihnen auch nicht gelingen.« Die Härte war aus ihrem Gesicht gewichen, doch ihre Augen funkelten. »Wie können Sie nur so etwas tun? Wie können Sie in einem Moment die Hand erst meiner Tochter halten und im nächsten McGintys Drohungen ausrichten?«
    »Sie verstehen nicht«, sagte er.
    »Ach nein? Ich fand das ziemlich deutlich.« Sie drehte sich wieder zu Ellen um, die weiter am Palmengarten herumtrödelte. »Ellen, komm jetzt sofort her.«
    »Ich will nicht, dass Sie gehen«, sagte Fegan. »Sie haben nichts Böses getan. Ich werde nicht zulassen, dass McGinty Ihnen etwas tut. Oder Ellen. Wenn er jemanden schickt, werde ich mich um ihn kümmern.«
    Ellen kam herbeigeschlurft und verzog den Mund. Marie nahm sie bei der Hand. »Wir sind fünf Jahre lang ganz gut alleine klargekommen«, giftete sie. »Wir brauchen Ihren Schutz nicht.«
    »Vielleicht nicht, aber ich will Ihnen trotzdem helfen.«
    Marie fletschte die Zähne. »Warum denn? Was kümmert es Sie? Sie sind doch McGintys Laufbursche, also warum verschwinden Sie nicht und schauen, was für Handlangerjobs er sonst noch für Sie hat? Sammeln Sie ein paar Schutzgelder für ihn ein. Rauben Sie ein Postamt aus oder kapern Sie eine Ladung Zigaretten. Wieso sollten Sie Ihre Zeit mit einer wie mir, einer Verräterin an der Sache, vergeuden?«
    Tausend Gründe schossen Fegan durch den Kopf. Manche hätte er nie auszusprechen, nicht einmal zu denken gewagt. Er sah auf das kleine Mädchen hinab, das sich an die Beine ihrer Mutter geklammert hatte. »Weil Ellen meine Hand gehalten hat«, sagte er nur.
    Marie seufzte und legte sich die Hand über die Augen. »Herrgott, was ist das nur für eine Stadt! Manchmal denke ich, Ellen und ich haben hier doch eine Zukunft. Aber dann fällt mir wieder ein, dass ja immer noch Männer wie McGinty die Fäden ziehen. Ich hätte schon Vor Jahren verschwinden sollen, als ich noch die Gelegenheit dazu hatte.«
    »Ich will nicht, dass Sie gehen«, wiederholte Fegan.
    »Das sagten Sie schon.« Marie nahm die Hand von den Augen und gönnte ihm den Hauch eines Lächelns.
    »Wenn jemand sich blicken lässt, rufen Sie mich an!«
    »Wie ist Ihre Mobilnummer?«
    »Ich habe kein … Ich kaufe eins. Gleich morgen früh.«
    Sie stieß ein verzweifeltes Lachen aus. »Meine Güte, wer hat denn heutzutage noch kein Mobiltelefon?«
    »Ich«, sagte Fegan.
    »Ich auch nicht«, erklärte Ellen. »Mummy kauft mir keins.«
    Maria sah auf ihre Tochter hinab. »Du bist fünf, Ellen. Wen willst du denn schon anrufen?«
    Ellen dachte kurz nach. »Den Nikolaus.«.
    Marie griff in ihre Tasche und holte einen Stift heraus. Sie nahm Fegans Hand und hielt sie fest, während sie ihm auf den Ballen schrieb. Ihre Haut war weich und warm. »Rufen Sie mich an, wenn Sie dann mal ein Telefon haben«, sagte sie. »Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass ich drangehe, aber man weiß ja nie.«
    »Danke«, sagte Fegan. Er lächelte Ellen an. »Und du übst besser springen. Wenn ich dich das nächste Mal treffe, springe ich höher als

Weitere Kostenlose Bücher