Die Schatten von Belfast
Fegan.
»Das sagtest du schon. Aber was bedeutet das? Wann ist es wieder sicher genug, nach Hause zu gehen? Wie lange bleiben wir in Portcarrick? Auch wenn diese Leute hier wirklich sehr nett sind, können wir uns ihnen ja nicht endlos aufdrängen.«
Fegan legte einen trockenen Teller auf einen Stapel auf der Arbeitsfläche. »Ich fahre heute nach Belfast. Ich regele die Sache.«
»Und wie?« Marie wandte sich ihm zu. Es gab kein Geschirr mehr zu spülen. »Wie willst du es regeln?«
»Ich muss ein paar Leute treffen«, erklärte Fegan. »In ein paar Tagen wirst du nichts mehr zu befürchten haben.«
Sie fixierte ihn weiter. »Was hast du vor?«
»Ich regle die Sache«, sagte er nur.
»Nein. Ich muss wissen, was du vorhast. Sag es mir.«
Fegan warf das Trockentuch auf den Abtropfständer. Mit seinen sehnigen Händen packte er Marie bei den Schultern. »Ich tue alles, was nötig ist, damit du und Ellen sicher seid. Mehr nicht.«
Ihre Augen suchten seine. »Na schön. Alles, was nötig ist, und dann gut. Nicht mehr.«
Fegan nickte und nahm das Trockentuch vom Abtropfständer. Er spürte ihre Hand auf seinem Unterarm.
»Und auch nicht weniger.«
Fegan wandte sich um und sah in ihre entschlossenen Augen. »Ich brauche deinen Wagen«, sagte er.
Obwohl niemand da war, der ihn hätte hören können, schlich Campbell auf leisen Sohlen durch Fegans Haus. Das rückwärtige Fenster stand nach ihrer Konfrontation vom Vortag immer noch offen, und trotz aller Schmerzen hatte er es geschafft, hineinzuklettern. Die Küche war sauber und aufgeräumt. Der weiße Herd war spiegelblank und der Linoleumboden makellos. Den einzigen Anschein von Unaufgeräumtheit erweckten ein paar Werkzeuge, die auf einem Tuch ausgebreitet dalagen. Bei näherem Hinsehen erwies sich das Tuch als ein weiches Wildleder, und die Werkzeuge steckten ordentlich in den für sie vorgesehenen Schlaufen. Sie lagen auf der Oberfläche eines Klapptisches. Campbell fuhr mit den Fingern darüber. Alle trugen Gebrauchsspuren. Das waren nicht die Spielzeuge eines Hobbybastlers.
Er ging weiter bis ins Wohnzimmer. Ein Sofa und zwei Sessel, nicht mehr neu, aber auch nicht abgewetzt. Mitten im Zimmer stand ein Couchtisch. Er sah aus wie ein Eigenbau, fachkundig, aber nicht kunstvoll zusammengesetzt und mit einer satten Lackschicht versiegelt. Auf einem weiteren selbstgebauten Möbel stand der Fernseher. Über dem Kamin hing ein Spiegel. Campbell trat davor und studierte die immer tiefer werdenden Falten in seinem Gesicht. Sein Bart musste gekürzt werden, und einen Haarschnitt brauchte er auch.
In der Ecke stand aufrecht ein Gitarrenkoffer. Campbell klappte die Schnappverschlüsse auf und sah hinein. Er nahm die unbesaitete Gitarre hinaus und äugte in das faustgroße Schallloch in ihrem Korpus. Dann drehte er sie um und schüttelte sie. Nichts. Nachdem er noch ein kleines Fach im Gitarrenkoffer untersucht hatte, legte er die Gitarre wieder hinein und schloss den Deckel.
Er trat an den Tisch unter dem Fenster. Die Oberfläche war mit einem Stück Filz abgedeckt, darauf verstreut lagen einige kleine Feilen und ein Ballen Stahlwolle. Hier war das Licht gut. Campbell stellte sich vor, wie Fegan unter dem Fenster arbeitete, mit seinen Mörderhänden nichts zerstörte, sondern etwas erschuf.
Das einzige andere Möbelstück im Zimmer war ein Sideboard mit einfachen Schubladen und Türfächern, aus demselben Holz gefertigt wie der Couchtisch. Kiefer, vermutete Campbell. Darauf stand ein gerahmtes Foto. Campbell hob es hoch. Es sah aus, als hätte man es Ende der fünfziger oder Anfang der sechziger Jahre aufgenommen. Eine Frau lächelte in die Kamera und hielt sich wie zum Salut eine Hand über die Augen, so dass sie im Schatten lagen. Sie war groß und schlank und hatte blondes Haar. Auf eine reine, einfache, mädchenhafte Weise hübsch. Sie stand an einer Straße genau wie dieser hier, ein Fuß ruhte auf der Türschwelle.
Campbell merkte, wie sich plötzlich ein warmherziges Lächeln auf seinen Lippen breitmachte, und er hüstelte. Sofort krümmte er sich, als sich der Schmerz in seinem Brustkorb meldete, und stellte das Foto wieder hin.
Neben einer leeren Flasche Jamesons lag ein Stapel ungeöffneter Post. Campbell blätterte die Umschläge durch in der Hoffnung auf einen Hinweis, wohin Fegan vielleicht verschwunden war. Wenn Campbell ihn zuerst finden und erledigen konnte, war alles in Butter. Wenn McGinty ihn erwischte - nun, das würde er eben auf sich
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