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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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zukommen lassen müssen.
    Aber was war, wenn Fegan McGinty fand? Dann trat ein vollkommen neues Problem auf, und zwar eines, das auf keinen Fall eintreten durfte. Wenn McGinty getötet wurde, würden seine alten Getreuen sich zerstreuen und sich vielleicht sogar gegen die Parteiführung auflehnen. Ein Abdriften in die Gewair, ob nach innen oder außen gerichtet, konnte die Bewegung zerstören. Es war McGintys Glanzleistung gewesen, eine Brücke zwischen dem Mob auf der Straße und den eher politisch Gesinnten zu bilden. Jetzt, wo McGinty seinen Zweck erfüllt hatte, zeigte die Führung ihm immer mehr die kalte Schulter und distanzierte sich von ihm und anderen wie Bull O’Kane. Aber sie tat es langsam und mit Bedacht. Die alten Methoden waren zwar endgültig passe, trotzdem konnten ihre Gespenster immer noch den politischen Prozess heimsuchen. Die Politiker mochten zwar schlauer sein, aber schlau sein hatte noch nie eine Kugel aufgehalten.
    Nichts als Rechnungen. Campbell legte sie wieder auf das Sideboard. Auf seine Verletzungen bedacht, hockte er sich hin und öffnete die Türen. Leer. In einer Schublade lagen ein Telefonbuch und die Gelben Seiten, beide noch in das Plastik eingeschweißt, in dem sie geliefert worden waren. Das war alles. Campbell stand auf und sah sich im Zimmer um, dann blickte er in Richtung Treppe. Kein Telefon. Wer hatte denn heutzutage kein Telefon, verdammt?
    Campbell durchquerte das Zimmer. Zwischen dem Fuß der Treppe und der Tür war der Teppich übersät mit tiefroten Flecken. Sein eigenes Blut. Er folgte der Spur die Treppe hinauf. Oben blieb er stehen. Er wusste, dass er nichts finden würde, ging aber trotzdem ins Bad. Glassplitter vom Spiegel knirschten unter seinen Füßen. Auf Augenhöhe war in der Wand ein kleines Loch, ein weiteres in der Decke. Die Bullen hatten sie möglicherweise bei der gestrigen Durchsuchung übersehen. Campbell stellte sich müde und abgestumpfte Beamten vor, wie sie sich einen oberflächlichen Eindruck über die Wohnung eines verurteilten Terroristen verschafft hatten. An Campbells verwundeten Brustkorb erinnerte hier kein vergossenes Blut.
    Campbell schaute hinüber zum Fensterbrett. Dort stand ein leeres Glas, in dem vielleicht eine Zahnbürste und die Zahncreme gestanden hatten. Bis auf einen Rasierapparat waren alle anderen Utensilien männlicher Körperpflege noch da. Fegan war zwar eilig aufgebrochen, aber doch nicht so schnell, als dass er nicht die wichtigsten Dinge mitgenommen hatte.
    Im hinteren Schlafzimmer befand sich überhaupt nichts, nicht einmal ein Bett. Es war sauber und abgesehen von einem billigen, ordentlich verlegten Teppichboden vollkommen leer. Einen Augenblick lang überlegte Campbell, ob er den Teppichboden herausreißen sollte, doch er sah nicht aus, als hätte ihn jemand nach dem Verlegen angerührt. Und seine schmerzende Seite würde ihm das übelnehmen.
    Er kehrte zurück in den Flur. Eine Kammer enthielt lediglich Laken und Handtücher, alle ordentlich gefaltet und gestapelt. Campbell durchwühlte sie, obwohl er schon vorher wusste, dass es vergebene Liebesmüh sein würde.
    Nun blieb nur noch Fegans eigenes Schlafzimmer. Als er die Tür aufschob, quietschte sie laut. Genau wie Campbell ölte also auch Fegan nie die Scharniere. Das Bett war akkurat glattgezogen, nur vor seinen Füßen gab es eine kleine Delle, wo vor kurzer Zeit jemand gesessen hatte. Er kniete sich hin und spähte unter das Bettgestell. Da war ein Schuhkarton, an den er soeben noch herankam. Campbell zog ihn hervor und nahm den Deckel ab. Der Karton war leer, doch ihm entströmte der schmierige Geruch nach Waffenöl und Geld. Eine einzelne 9-mm-Patrone rollte von einer Ecke zur anderen.
    »Scheiße«, knurrte er und warf den Karton zu Boden. Mit Sicherheit war nichts unter der Matratze versteckt oder in die Kopfkissenbezüge gestopft, es lohnte also kaum, das ganze Bett auseinanderzunehmen. Er machte es trotzdem.
    »Wo zum Teufel steckst du?« fragte er den aufgetürmten Haufen aus Laken und abgezogenen Kopfkissen. Die Matratze lehnte an der Wand, die Latten im Bettgestell lagen entblößt da. Jetzt gab es nur noch eine Stelle, wo er nachsehen konnte. Er machte die Schranktür auf und fand wie erwartet nur ein paar Hemden und eine abgetragene Jeans. Rasch stellte er fest, dass sich nichts in den Taschen befand.
    Campbell wollte die Tür schon wieder zumachen, da fiel ihm etwas ins Auge. Etwas Kleines, Längliches, das in die hinterste Ecke geschoben war. Er

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