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Die Schattenflotte

Die Schattenflotte

Titel: Die Schattenflotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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Zeichensprache der Finanzwelt. Ein versehentlicher Rempler im Gedränge des Eingangs, und Warburgs Zylinder ging zu Boden.
    «Oh, Verzeihung. Wie ungeschickt von mir   …» Sören bückte sich schnell, hob den Zylinder auf und klopfte mit den Händen den Straßenstaub von der edlen Kopfbedeckung. Sein entschuldigender Blick bekam etwas Überraschtes. «Herr Warburg?»
    Der Angesprochene reagierte etwas verlegen und nahm den Zylinder entgegen. «Das kann schon mal passieren.»
    «So ein Zufall», begann Sören und stellte sich mit Namen vor. Er dankte Warburg für die Anteilnahme, und der Bankier überspielte gekonnt, dass er mit Sörens Namen ganz offensichtlich nichts anzufangen wusste. Auch wenn es überflüssig war, denn jeder Bürger der Stadtkannte den Mann an der Spitze der Hapag, stellte er seinen Begleiter Ballin höflich vor.
    «Angenehm, wir hatten vor ein paar Jahren einmal flüchtig die Gelegenheit, uns kennenzulernen.» Er reichte Ballin, der ihn fragend anblickte, die Hand.
    «Das muss zu einer Zeit gewesen sein, als mein Personengedächtnis noch funktionierte.» Er lächelte Sören verschmitzt an. «Helfen Sie mir auf die Sprünge.»
    «Sören Bischop. Advokat. Wir wohnen in der Feldbrunnenstraße gleich bei Ihnen um die Ecke. Meine Frau war damals häufiger bei Ihrer Gemahlin zu Gast. Es ging um diese Adoptionsangelegenheit.»
    Ballin nickte und gab sich Mühe, seine Erinnerungslücke zu verbergen. Es war ja auch wirklich nur ein kurzer Kontakt gewesen. An Mathilda hätte er sich bestimmt erinnert, und wenn nicht er, dann seine Frau. Etwas verlegen zückte er ein Taschentuch aus seinem Wintermantel, wendete sich höflich ab und schnäuzte sich die Nase.
    «Ich hätte mich in den nächsten Tagen so oder so an Sie wenden müssen   … aus beruflichen Gründen.»
    Ballin verstaute sein Taschentuch und blickte kurz zu Warburg. Dann zog er eine belustigte Grimasse. «Als Advokat? Ich hoffe nicht, dass ich bluten muss?» Wieder ein abschätzender Blick zu Warburg, dann stülpte er plötzlich die Innenfutter beider Manteltaschen nach außen. «Sorry. No money!»
    Als Warburg in schallendes Gelächter ausbrach, musste auch Sören lachen. Ballin schien wirklich Humor zu haben. «Nein, eine lapidare Geschichte eigentlich. Einer meiner Mandanten, ein Zulieferbetrieb einer großen Werft in Danzig   … Man beruft sich auf einen Vertrag, den die Werft angeblich mit der Hamburg-Amerika Linie hat. Bevor die Sache im Detail geprüft wird   … Nun, ich dachte mir, esist am einfachsten, wenn die Hapag einfach dazu Stellung nehmen könnte, ob Verträge existieren oder nicht. Man muss so etwas ja nicht an die große Glocke hängen   …» Sören hatte absichtlich in Rätseln gesprochen, aber seine Andeutungen schienen ihre Wirkung nicht zu verfehlen.
    Ballins Lachen gefror innerhalb von Sekunden. «Eine Danziger Werft?»
    Sören tat gleichgültig. «Die Schichau-Werft.»
    Es war nicht zu übersehen, wie der Weltmann darum kämpfte, nicht die Beherrschung zu verlieren – warum auch immer. Langsam knöpfte er seinen Mantel auf und zog eine Taschenuhr hervor. «Wissen Sie was? Kommen Sie doch einfach in einer guten Stunde in mein Büro am Dovenfleeth.»
     
    Die Zentrale der Hamburg-Amerika Linie lag unweit vom Dovenhof an der Ecke zur Lembkentwiete. Noch, denn niemandem in der Stadt konnte entgehen, wie sich die Hapag zukünftig im Stadtbild präsentieren würde. Seit knapp zwei Jahren wuchs zwischen Alsterdamm und Ferdinandstraße der künftige Firmensitz, ein opulenter Bau mit einer repräsentativen, elfachsigen Fassade zur Binnenalster, dessen Größe die führende Position der Hapag auch baulich widerspiegeln würde. Bis auf den neuen Dammtorbahnhof gab es kein Bauprojekt in der Stadt, das an Größe und bestimmt auch an Kosten mit diesem Neubau vergleichbar gewesen wäre. Nicht einmal der erst vor kurzem fertiggestellte Bankpalast der Dresdner Bank am Jungfernstieg konnte es an Würde und Pracht mit dem Neubau der Hapag-Verwaltung aufnehmen.
    Bezeichnenderweise war es immer wieder der gleiche Architekt, den man mit diesen hochkarätigen Repräsentationsbauten beauftragte: Martin Haller. Nicht erst seit erdem neuen Hamburger Rathaus maßgeblich Gestalt gegeben hatte, schien er der Erste seiner Zunft zu sein, der für solche Aufgaben in Frage kam. Er errichtete Firmensitze, Verwaltungsbauten und Kontorhäuser gleichermaßen wie repräsentative Villen rund um die Alster. Er war der unbestrittene Primus inter

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