Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schattenflotte

Die Schattenflotte

Titel: Die Schattenflotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
Vom Netzwerk:
Laeisz-Reederei, den Laeiszhof an der Trostbrücke, errichtet. Klar, dass Adi da nicht zurückstehen wollte. Aber im Gegensatz zu Hallers sonstigen Bauten sah das Afrika-Haus, so der bezeichnende Name, der in großen Lettern über dem Eingang stand, völlig anders aus. Und das Kontorhaus der Reederei Woermann stand gerade nicht an einer Stelle, wo man ihm aufgrund seiner Lage automatisch Beachtung schenkte. Ins Auge sprang es einem dennoch – aber eben nur, wenn man sich die Mühe machte und den Kopf hob.
    Die Fassade an sich war ein Kunstwerk. Das Erdgeschoss, dessen Sockel granitverkleidet war, wirkte noch unauffällig, genau wie sich die Breite des Hauses in der Straßenflucht kaum von der der alten, schmalen Hamburger Bürgerhäusern unterschied. Aber der Rest der Fassade war spektakulär. Die Obergeschosse waren mit weiß glasierten Backsteinen verkleidet, und zwischen den Fensterbahnen waren ebenfalls glasierte Schmucksteine in den Farben der Woermann-Linie Grün-Blau-Weiß zu rautenförmigen Mustern angeordnet. Etwas Vergleichbares hatte Sören im Hamburger Stadtbild bislang noch nicht gesehen.
    Der Eingang, der gleichzeitig die Durchfahrt zum Innenhof aufnahm, wurde von einem lebensgroßen afrikanischenKrieger aus Bronze bewacht. Sören fühlte sich unangenehm beobachtet, als er an der Figur in Richtung des schmiedeeisernen und mit Palmenmotiven verzierten Tores vorbeiging. Es wirkte, als verfolgte ihn der Krieger mit seinem Blick. Sören hielt inne und schaute der bronzenen Statue in die Augen. Nach einem kurzen Moment der Besinnung wusste er, was ihn an der Figur gestört hatte. War es Zufall, oder trug der afrikanische Krieger tatsächlich die Züge von Dr.   Paetzold? Sören musste unweigerlich grinsen. Eine solche Schelmerei hätte er Adi nicht zugetraut. Es war das Erste, wonach er seinen ehemaligen Klassenkameraden fragen wollte. Dann fiel ihm ein, dass er nicht einmal wusste, ob Woermann überhaupt im Hause war.
    Am Ende des langen und schmalen Innenhofes sah sich Sören zwei riesigen Elefanten gegenüberstehen. Natürlich waren auch sie aus Bronze gefertigt und flankierten das hintere Portal auf beeindruckende Weise. Es sah aus, als wenn sie aus der Mauer hervortreten würden. Die Wandfläche über dem Eingang zierte ein imposantes Mosaik, ebenfalls mit afrikanischen Bildmotiven. Angesichts dieses gewaltigen Bau- und Figurenschmucks konnte es für niemanden eine Frage sein, womit die Firma Woermann Handel trieb.
     
    «Du hast unseren alten Pauker also tatsächlich erkannt?» Woermann klopfte Sören anerkennend verschwörerisch auf die Schulter. «Niemandem ist das bisher aufgefallen. Und jedem, was er verdient. Ich habe einen Neger aus ihm gemacht.» Er grinste spitzbübisch. «Wo der alte Paetzold mir doch stets nachsagte, dass ich von Geografie keinen Schimmer hätte. Ein schwaches ‹ausreichend› war alles, was ich ihm in der Prüfung abringen konnte. Nun, und da ging es um den Schwarzen Kontinent.»
    «Damals war wohl noch nicht vorauszusehen, was aus dir einmal werden würde. Ich glaube, heute hätte er sich dir gegenüber anders verhalten, wäre vielleicht sogar stolz darauf, was aus seinem ehemaligen Schüler geworden ist. Ich hatte im Gegensatz zu dir nie Probleme mit ihm. Aber was soll’s, er ist längst unter der Erde, und nun hast du ihm ein Denkmal gesetzt. Unabhängig davon finde ich das Ensemble hier wirklich bemerkenswert. Vor allem die Fassade hat mich beeindruckt.»
    «Danke für die Blumen.» Woermann saß mit stolz geschwellter Brust da. «Weißt du, was ich Haller zahlen musste, damit er’s macht?» Ein mächtiges Lachen ging durch den Raum. «Er wollte mir von Anfang an seinen Renaissancefirlefanz andrehen. Von der Idee, unsere Firmenfarben in die Fassade zu integrieren, noch dazu hochglänzend, war er alles andere als begeistert. Aber ich bin stur geblieben. Und ich finde, es hat sich gelohnt. Die glasierten Backsteine mussten extra angefertigt werden und waren sündhaft teuer. Ich glaube, es hat ihn irgendwie amüsiert, dass ich wegen meiner Sturheit extratief in die Taschen greifen musste.»
    Sören fragte sich, warum Adi dann keinen anderen Architekten genommen hatte, aber die Antwort konnte er sich selbst geben. Für einen Woermann musste es eben ein Martin Haller sein. Dennoch war es ihm sympathisch, wie Adi an seiner Vorstellung festgehalten hatte – und die Umsetzung gab ihm recht. Das Haus war wirklich einzigartig.
    Woermann war ausgesprochen guter Laune. Sein

Weitere Kostenlose Bücher