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Die Schattenflotte

Die Schattenflotte

Titel: Die Schattenflotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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noch nicht erklärte, warum Ballin den Kontaktzu Otte und zur Schichau-Werft geleugnet hatte. Und die Konten? Wenn Woermann recht hatte, dann waren sie ungefähr zur gleichen Zeit eingerichtet worden, wie Ballin von der Gefahr einer möglichen Übernahme der Hapag durch Morgan erfahren hatte. War es denkbar, dass die enormen Gelder auf den Konten dafür gedacht waren, einer feindlichen Übernahme entgegenzuwirken? Wenn Adis Unterstellung stimmte und die Hapag über Aktionäre getarnt zumindest anteilig längst ein Unternehmen des Reichs war, dann erklärte das natürlich die Bereitstellung der Gelder. Und es erklärte gleichfalls, warum gerade Albert Ballin Prokura über die Konten hatte.
    «Die Geschichte ist wirklich heikel», unterbrach Woermann Sörens Gedanken, «und ich möchte momentan nicht in Ballins Haut stecken. Auch wenn ich dort so oder so nicht reinpassen würde.»
    «Höre ich da einen Anflug von Schadenfreude heraus?»
    Adi wiegte unschlüssig den Kopf und gab einen grunzenden Laut von sich. «Sagen wir mal so   … Seine Probleme sind weitgehend selbst gestrickt. Er hat den Bogen einfach überspannt. Das konnte auf Dauer nicht gut gehen. Und ich bin heilfroh, dass mir so etwas nicht passieren kann. Ein Familienbetrieb wird durch derartige äußere Einflüsse nicht gefährdet. Ich bin mein eigener Herr.»
    Woermann stand auf und reckte sich zu voller Höhe empor. «Das ist meine persönliche Meinung. Unabhängig davon wäre es natürlich fatal, wenn die Hamburg-Amerika Linie oder auch der Lloyd in ausländischen Besitz übergehen würde. Es mag idiotisch klingen, aber ich kann die Interessen des Reichs, das zu verhindern, sehr gut nachvollziehen. Ich verfüge ja, wie du weißt, über sehr gute Kontakte nach Berlin, und wir, das heißt in diesemFall einige ranghohe Vertreter von Reich und Marine, wollten uns in drei Tagen mit Ballin und der Führung des Norddeutschen Lloyds zusammensetzen und vorbeugend beratschlagen, wie man mit einer solchen Gefahr zukünftig umzugehen hat. Kriegs- und Handelsmarine sollten hinsichtlich der Vormachtstellung auf den Weltmeeren gemeinsam an einem Strang ziehen. Das Ganze sollte anlässlich der Übergabe des neuen Linienschiffes geschehen, wenn am Donnerstag die Führungsriege der Reichsmarine bei Blohm + Voss erwartet wird, aber nun kann Ballin an der Fahrt nicht teilnehmen, weil er sich um Pirrie kümmern muss. Denn es ist ja absurd, wenn ein Engländer, zudem der Chef der größten britischen Werft, zur Probefahrt des modernsten deutschen Kriegsschiffes an Bord kommt. Ich will nicht aus dem Nähkästchen plaudern, aber sonst kann man sich sämtliche Auflagen bezüglich der Geheimhaltung beim Bau von Schiffen Seiner Majestät zukünftig sparen und die Baupläne gleich ins Ministerium nach London schicken.»
    «Du meinst den Kaiser Karl den Großen?»
    Woermann nickte. «Ja, das Schiff wird am Donnerstagmorgen auf seine erste   … nun, seine zweite Fahrt gehen und in den Kaiserlichen Marinehafen nach Wilhelmshaven überführt werden. Dabei wird wohl das halbe Reichsmarineamt an Bord erwartet.»
    «Admiral von Tirpitz auch?», fragte Sören neugierig. Er dachte an das unvollständige Schreiben, das sich in Ottes Unterlagen befunden hatte und in dem von einem Ortstermin im Januar die Rede gewesen war.
    Woermann grinste vielsagend. «Nicht nur, mein Lieber, nicht nur. Den Gerüchten nach wird sich wohl auch Seine Majestät persönlich die Probefahrt seines neuesten Schiffes nicht entgehen lassen.»

Auf der Lauer
    Er musste auf dieses Schiff. Egal, unter welchem Vorwand. Was auch immer es mit der Zusammenkunft des Marinestabes und der Vertreter unabhängiger Werften und Reedereien anlässlich der Jungfernfahrt des neuen Linienschiffes auf sich hatte, Sören war sich sicher, dass hier alle Fäden zusammenliefen. Ging es nur um ein Aktionsbündnis gegen die International Mercantile Marine Company der Morgan-Gruppe, oder waren die Verflechtungen zwischen Handels- und Kriegsmarine doch enger?
    Sören dachte darüber nach, was er gemeinsam mit Martin in Erwägung gezogen hatte. Ihre Spekulation, dass es sich bei den Konten um eine Art geheime Kriegskasse des Flottenvereins handeln könnte, war zwar immer noch nicht vom Tisch, zumal Ballins Rolle als Chef der Hamburger Sektion des Vereins dessen Prokura erklärt hätte, allerdings war es jetzt genauso gut denkbar, dass die Gelder tatsächlich über Mittelsmänner vom Reich zur Verfügung gestellt wurden, um die Position der

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