Die Schattenfrau
weiter. Dreißig Meter vor ihm stand ein Mann und bückte sich, um einen roten Volvo 740 aufzuschließen. Er trug eine schwarze Kappe mit weißer Aufschrift und einen grünen Parka, von dem Winter nur den obersten Teil erkennen konnte, weil der Mann an der entfernten Seite seines Fahrzeugs stand. Winter rannte los.
Der Mann blickte auf, die schwarze Kappe tief in die Stirn gezogen. Um den Hals hatte er ein rotes Halstuch. Plötzlich wird aus dem Schwarzweißfilm von eben einer in Farbe, ging Winter durch den Kopf, während er lief.
Der Mann blickte ihn an und drehte sich dann um, als wolle er nachsehen, ob sich hinter ihm etwas abspielte. Er sah, wie andere losliefen. Ein Streifenwagen fuhr mit quietschenden Reifen am Busbahnhof an und näherte sich. Und dieser blonde Typ in der Lederjacke kam auf ihn zugestürzt und rief ihm etwas zu. Da warf er sich ins Auto und steckte den Schlüssel ins Schloss. Der Volvo-Motor heulte gequält auf. Der Rückwärtsgang war eingelegt. Nur noch die Handbremse gelöst, und das Auto schob sich befreit rückwärts. Da hängte sich dieser Kerl in der Lederjacke ihm einfach an die Autotür. Als er in den Vorwärtsgang schaltete, die Kupplung kommen ließ und vorwärts schoss, flog der Mann zur Seite. Es hätte alles so gut funktioniert, wenn die Bullen ihm nicht an der Ausfahrt vom Parkplatz die Schranke vor der Nase zugemacht hätten, direkt vor seinen Augen. Mit der Schranke quer über der Motorhaube kam der Volvo noch halb über die Straße, und dann war es aus. Er bekam die Tür nicht auf und warf sich auf die andere Seite. Endlich stand er auf der Straße, und dann kommt dieser verdammte Skinhead angerannt und rammt ihn den Schlagring direkt in den Bauch, und die Luft bleibt ihm weg, und er geht nach zwei Schritten geschockt zu Boden, und der Skinhead wirft sich wieder auf ihn.
»Was ist mit dir?«, fragte Halders.
»Nur ein kleiner Kratzer«, antwortete Winter und besichtigte seinen Ellbogen durch das Loch in der Lederjacke. »Gut gemacht, Fredrik.«
»Das ist er also.« Halders betrachtete zufrieden den Mann, der auf dem Rücksitz eines der Streifenwagen saß. »Das ist der, der die Miete bezahlt hat.« »Er sieht aus wie ein Strolch.« »Wahrscheinlich ist er einer.« »Hat er was gesagt?« »Kein Wort.«
»Dann müssen wir ihn wohl foltern«, meinte Halders. »Das hier war erst der Anfang. Und, bist du noch immer nicht glücklich, Winter?«
»Glücklich?«
»Die Sache hätte verdammt schief gehen können, aber wir hatten das Glück auf unserer Seite.«
»Verdammt, das ist ein großer Erfolg für das Fahndungsdezernat. Schau ihn dir doch an. Er weiß, dass er gleich sein Lied singen wird.«
»Gut gemacht, Fredrik«, wiederholte Winter. »Ich möchte noch ein paar Worte mit Sara reden, bevor wir zurückfahren.«
Halders nickte und ging auf Aneta und das Auto zu. Es war eher ein Schlendern.
Sara Helander wartete am Bahnhofsgebäude.
»Ich war unaufmerksam«, sagte sie. »Kriminell unaufmerksam.«
»Wir hätten das Ganze vorher ein wenig trainieren sollen«, antwortete Winter. »Aber es ist nicht gesagt, dass es dann anders gelaufen wäre. Es waren viele Leute in der Post, und der Typ war schnell.«
»Quatsch«, sagte Sara Helander.
Winter zündete einen Zigarillo an. Das tat gut. »Okay. Aber unsere Bereitschaft hat funktioniert.«
»Er war überhaupt nicht misstrauisch«, wunderte sich Sara Helander. »Nicht einmal, als du angerannt kams t. Ist das nicht merkwürdig?«
»Wir wollen mal sehen, was er sagt und wer er ist«, meinte Winter. »Ob er so heißt wie auf dem Führerschein. Ob er was zu erzählen hat.« Er tat einen Zug und blickte dem Rauch nach, der aufstieg zum Himmel.
»Was war das übrigens, was dich da drin so fasziniert hat? Dieser Prospekt.«
»Scheiße, ja. Den ganzen Mist gibt es ja sogar auf Film.«
»Was war es denn?«
»Spiel bitte nicht den gütigen Vater, der alles versteht und verzeiht.«
»Nein, ich will es wirklich wissen.«
»Tja, es ging um Darlehen. Verschiedene Arten, Geld zu leihen, welche besser ist und so.«
»Aha.«
»Nichts für dich.« »Wieso?«
»Dir reicht dein Geld doch wohl?«
»Wo hast du das her?«
»Das ist doch kein Geheimnis.«
»Das ist alles vollkommen übertrieben, was so geredet wird.«
»Es geht mich sowieso nichts an«, lenkte Sara Helander ein.
»Geld allein macht keine Freude«, sagte Winter. »Nimm das als guten Rat. Geld richtet nur Elend an.«
39
Der Mann hieß Oskar Jakobsson und hatte eine
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