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Die Schattenfrau

Die Schattenfrau

Titel: Die Schattenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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fuhr an Bord und parkte im Bauch der Havskatten. Er schloss den Mercedes ab, nahm die Aktentasche und stieg hoch zum Passagierdeck. Er stellte sich am Heck ins Freie, und sah zu, wie der Katamaran ablegte. Reste des Morgennebels trieben von Süden über den Fluss und hingen zwischen den zerklüfteten Gebäuden am nördlichen Brückenkopf. Der Wind blies aus Süden. Auf dem Kattegatt würde er ihnen mit vier Metern pro Sekunde entgegenwehen.
    Winter ging hinein und durchquerte die Bar. Einige saßen schon da, das erste Bier des Tages vor sich. Sie wirkten zerknittert, verbreiteten Zigarettenrauch um sich, und Winter beobachtete, wie der Alkoholgenuss langsam ihre Gesichter zu glätten schien.
    Winter setzte sich auf einen Sessel in einer Einzelreihe mit Blick aufs Fenster. Der Katamaran legte an Fahrt zu, als er den Danafjord erreichte. Winter genoss den Anblick der Sonne, die zwischen den Klippen emporstieg und langsam die scharfen Schatten vertrieb. Dem eintönigen Grau der Inselwelt entlockte das Licht der frühen Sonne unterschiedliche Nuancen von Stahl, Erde und Granit und verscheuchte die letzten Nebelfetzen.
    Durch die Scheibe betrachtete Winter die Wasserwelt wie in einem Spiegel, da die Meeresoberfläche sich unbewegt bleigrau vor seinen Augen bis ins Unendliche zu erstrecken schien.
    Auf der Höhe vo n Vinga machte die Havskatten vierzig Knoten. Winter folgte dem Flug dreier Wildenten mit den Augen, die lange neben dem Katamaran herflogen. Dann drehten die Vögel ab und zogen der Sonne entgegen.
    Sie begegneten einer Fähre, die nach Osten unterwegs war, und Fischerbooten, die still in der Dünung lagen. Als die Sonne ihn blendete, stand Winter auf und ging zur Bar, kaufte ein Brötchen mit Käse und eine Tasse Kaffee. Die Stimmen in der Bar waren lauter geworden, hatten sich zum Gemurmel gesteigert. Die Luft war so verräuchert, dass Winter beschloss, nicht aufs Achterdeck zu gehen und sich einen Zigarillo anzuzünden, wie er es vorgehabt hatte. Hier drinnen bekam er schon genug Rauch ab.
    Winter kaute sein Brötchen, trank den Kaffee, und dachte an das Gespräch, das er am Vorabend geführt hatte.
    »Ich verspreche zu tun, was ich kann, damit du die Kleine findest«, hatte Benny Vennerhag ihm zugesichert. »Aber unsere Welt ist nicht mehr, was sie mal war.«
    »Von welcher Welt redest du? Der Unterwelt?«
    Vennerhag hatte nicht geantwortet. »Es ist nicht mehr so leicht, Auskunft zu bekommen«, hatte er stattdessen gesagt. »Die Leute reden nicht mehr, als sie müssen.«
    »Ich interessiere mich besonders für die Welt des Mädchens«, hatte Winter ihm erklärt. »Für die ihrer Mutter. Und ihrer Großmutter.«
    »Keine schöne Welt.«
    »Wie meinst du das?«
    »Tja. Sich selbst überlassen zu bleiben oder wie man es ausdrücken soll. Es gibt ja jede Menge kaputte Typen, Leute, die aus verschiedenen Gründen kaputtgemacht worden sind. Manche meinen, es sei der Sinn des Lebens, es nach kurzer Zeit wieder zu verlassen. Aber ich bin ja kein Sozialarbeiter. Erst recht kein Psychologe.«
    »Du hörst dich aber so an.«
    »Manchmal fragt man sich schon, auf welcher Seite man eigentlich steht. Ich bin beileibe nicht arm. Ich wohne nicht schlecht. Aber sonst... lebe ich hier wie unter Geächteten.« »Aber, aber, Benny Hood.«
    »Ist es ein Fehler, über seine Umwelt nachzudenken?«
    »Nein. Aber du bist schließlich ein Dieb«, hatte Winter gesagt. »Du bewegst dich in der Unterwelt. Und es muss doch Leute geben, die Brigitta Dellmar kannten. So groß ist die Unterwelt nun auch wieder nicht.«
    »Vielleicht«, hatte Vennerhag erwidert. »Aber damals war ich nicht dabei.« »Du musst doch was darüber gehört haben.«
    »Es ist nicht in Schweden passiert, Winter. Vergiss das nicht.«
    »Und danach sind sie rübergekommen. Das vergiss du mal lieber nicht.«
    »Wen genau meinst du? Einen, zwei oder drei? Oder vier?« »Das weiß ich nicht.«
    »Weißt du denn, was Lotta von mir zum vierzigsten Geburtstag geschenkt bekommen hat?«
    »Nein.«
    »Nein? Warst du nicht auf dem Fest?«
    »Doch. Aber ich glaube, sie hat dein Geschenk nicht ausgepackt.
    »Kein Wunder, es lässt sich nämlich auch nicht auspacken.« »Aha.«
    »Bist du nicht neugierig, was es war?« »Nein.«
    »Ich habe nicht vor, es dir zu verraten. Aber ich bin sicher, du wirst Lotta fragen.«
    »Nein«, hatte Winter ihm versichert.
    »Ehe dieser Herbst zu Ende geht, wirst du sie danach fragen, mein Lieber«, hatte Vennerhag gesagt.
    Winter schloss die

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