Die Schattenfrau
wohin sie fuhr? Bendrup zufolge hatten Augenzeugen einen Fiat in hohem Tempo hier unten zwischen den hohen Häusern gesehen. Auf die Häuser folgten Villen, etwa dort, wo die Straße Thistedvej hieß.
Aus verschiedenen Gründen blickte Winter regelmäßig in den Rückspiegel. Der Verkehr war relativ dicht im bebauten Gebiet, wurde aber spärlicher, als neben der Straße Felder begannen. Die Landschaft wurde flach, und Winter hörte den Wind. Das Licht nahm von der Stadt zum Land einen anderen Charakter an, einen helleren Ton, insbesondere im Westen, zum Meer hin. Vor Aarbybro bewunderte Winter die kilometerlangen Alleen, die sich rechts der Straße durch die Felder zogen.
Eine Allee verlief parallel zu der Straße, auf der er fuhr. Da sah er es: eine Bewegung zwischen den Bäumen, im Takt mit seiner eigenen. Er blickte noch einmal hin: Die Bewegung blieb konstant, als die beiden Straßen nach Store Vildmose hineinführten. Winter schätzte den Abstand zwischen den Parallelstraßen auf dreihundert Meter. Die Sonne brach durch die Wolken, aber Winter klebte mit seinem Blick auf der Straße - und am Rückspiegel. Wieder blickte er nach rechts, und nun war er sich sicher. Neben ihm wurde das polierte Chrom in regelmäßigen Abständen in der Sonne glitzernd sichtbar, wenn die zwei Motorräder sich zwischen zwei Bäumen befanden.
Dann endete die Allee, als wäre ein Zeichner über seinem Bild müde geworden und hätte den Stift gehoben. Gleichzeitig waren die Motorräder nicht mehr zu sehen. Winter fuhr noch einen halben Kilometer weiter, aber es gab keine auffälligen Motorräder mehr. Er bremste scharf und bog auf einen Parkplatz ab. Bei laufendem Motor betrachtete er die Allee im Rückspiegel. Sie mussten genau beim letzten Baum gehalten haben, überlegte Winter. Sie wussten, was sie taten. Vielleicht haben sie nicht bemerkt, dass ich sie bemerkt habe. Vielleicht waren das gar nicht sie. Ich muss ruhig bleiben.
Er fuhr los und bog in Pandrup links ab Richtung Blokhus.
Das Feriendorf wirkte von der Straße her wie ein spärlich besiedeltes gewöhnliches Dorf, aber das Gefühl von Leben nahm ab, je näher er dem Meer kam. Immer zahlreicher wurden die Häuser, die jetzt, in der Nachsaison, unbewohnt waren.
Winter fuhr an der Kreuzung nach rechts und hielt nach zweihundert Metern vor dem Bellevue Hotel, einem Gebäude aus Holz und Glas, an dem der Wind rüttelte, der zwischen den Dünen hindurch vom Meer herüberblies. Die Balkons ragten verlassen vor, in Erwartung des nächsten Jahres.
Winter zog ein Papier aus der Innentasche des Sakkos und las.
Sie waren gesehen worden, wie sie Blokhus auf der Straße zwischen den Dünen, die es dort damals wie heute gab, verließen.
Winter stieg aus dem Auto, und der Wind griff nach seinem Haar, wehte es ihm über den Kopf. Der Kragen der Jacke schlug gegen den Hals. Sand war über die Straße geweht wie Schneewehen, die sich immer höher aufbauten, je näher Winter einem der wenigen offenen Läden kam, vor dem Kleider auf Bügeln mit leeren Ärmeln Grüße winkten.
Eine Geisterstadt.
Er hatte noch keinen Menschen gesehen und hörte jetzt ein Auto, das von der Kreuzung kommend an Winter vorbeifuhr und in der Durchfahrt verschwand, einem Weg, der von West nach Ost lief, so weit man sehen konnte. Hier und da parkten Autos. Der Wind fegte Sand eine Handbreit über dem Boden in Schlieren über den Strand. Das Donnern der Brandung übertönte alle anderen Geräusche. Ein Wegweiser klärte über die Entfernung nach Rohus im Westen auf: sechs Kilometer. Nach Saltum im Osten waren es fünf Kilometer auf diesem Weg parallel zum Strand. Hier waren sie gefahren, einige von ihnen oder einer, während der Wind Sandkörner gegen Fenster und Lack trieb. Zum Schrecken des Kindes.
Autos verschwanden in Sand und Sonne und dem Dunst, der über das Land waberte. Hinter dem verlassenen Strandkiosk vergnügten sich Leute mit Papierdrachen, die sich wie wahnsinnig in den Windtunneln drehten. Winter ging über den Strand auf die Wellen zu, die draußen in der Jammerbucht über mannshoch waren. Er hob einen Stein auf und spürte die Kälte des Wassers. Dann schleuderte er den Stein in die Wellen und schaute ihm nach, wie er in der Krone aus kreideweißem Schaum verschwand. Zehntausend Jahre hat er gebraucht, um von dort wegzukommen, und jetzt habe ich ihn zurückgeschleudert, dachte Winter. Was habe ich getan.
Ein neu gepflasterter Platz markierte das Zentrum von Blokhus. Dazu ein Cowboyland und
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