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Die Schattenfrau

Die Schattenfrau

Titel: Die Schattenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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eine Skybar, deren Fenster im Schatten lagen und ihn wie leere schwarze Höhlen anzustarren schienen. Kleider und Jacken drehten sich im Wind vor einem anderen Geschäft. Winter fiel auf, dass kein Vogel sich in die Nähe wagte, als hätten die Tiere Angst vor diesen leblosen Vogelscheuchen.
    Das Haus lag jenseits des Platzes, am Jens Baerentsvej. Das dritte rechts an dem Kiesweg, der über gemartertes Gras zum Meer führte. Der Verputz war grau und fleckig, und das Haus glich mehr einer dieser Ferienhütten als einem richtigen Wohnhaus. Später bemerkte Winter an der Rückseite einen alten Anbau, so groß wie ein Zimmer. Es gab keinen Zaun. Ein rostiger Rasenmäher stand auf dem kleinen Rasenstück, als hätte ihn jemand mitten in der Arbeit dort stehen gelassen. Ein schwarzes Fahrrad lehnte an der Wand, die Reifen platt. Der Schornstein war einmal weiß gewesen, in den Fenstern gab es kein Leben. Winter fühlte sich an Eline Herts' hoffnungslose Landschaften an den Wänden seines Hotels erinnert.
    Also hier war es, dachte er. Hier sind sie gewesen. Helene ist hier gewesen. Und noch jemand. Vielleicht ihre Mutter, vielleicht auch nicht. Vielleicht der Vater, vielleicht auch nicht. Kim Andersen. Der Vater? Du sollst deinem Vater gehorchen.
    Du sollst deinen Vater achten. Vater unser, der du bist im Himmel, kam es Winter in den Sinn.
    War er hier ermordet worden?
    Während der Rückfahrt nach Aalborg grübelte er, wie viel sie damals hatten ausrichten können, die Männer von der Spurensicherung. Die dänischen Techniker hatten Abdrücke von Helene gefunden. Von niemand anders sonst - abgesehen von den Hausbesitzern, die gerade erst renoviert hatten. Das war jetzt schwer vorstellbar. Aber sie hatten neue Tapeten angebracht. Fingerabdrücke... Tapeten... Wie oft war wohl das Haus seitdem renoviert worden? Anscheinend war neu tapeziert worden, bevor die Polizei auch nur eine Ahnung hatte, wer in dem Haus gewohnt hatte. Ob sie die neuen Tapeten heruntergerissen und auf den alten nach Fingerabdrücken gesucht hatten? Er musste Michaela fragen. In den Akten hatte er nichts dazu gefunden. Aber das hatten sie bestimmt getan, oder?
    Winter konnte nicht einfach das Haus betreten, wie er es gerne getan hätte. Die Entscheidung lag beim Richter in Hj0rring. Allerdings hatte das Haus dreimal den Besitzer gewechselt.
    Als er wieder bei der Allee anlangte, blieb es still zwischen den Bäumen. Die tief stehende Sonne verlieh allem einen satten Goldton. Winter setzte die Sonnenbrille auf und fuhr in die Stadt zurück. Er parkte vor dem schwarzen Polizeipräsidium, das ihn immer mehr an ein Raumschiff erinnerte, das hier zwischen dänischem Wirrwarr und Frohsinn gelandet war.
    Michaela Poulsen war noch in ihrem Büro. Der Computerschirm glühte mit den Sonnenstrahlen um die Wette, die durch die blanken Fensterscheiben ungehindert in den Raum fielen.
    »Beate Meiler möchte nicht mit uns sprechen«, berichtete sie, speicherte einen Brief im Textverarbeitungsprogramm und blickte auf.
    »Mit keinem von uns?«
    »Wenn ich ehrlich sein soll, so hat sie mich zum Teufel gejagt, wenn auch mit etwas zahmeren Worten.«
    »Aha.«
    »Ihr Sohn hat nie etwas Böses getan. Alles Böse ist ihm angetan worden.«
    »Und wenn wir ihr helfen könnten festzustellen, was ihm Böses getan worden ist?«
    »Das habe ich ihr ja auch erklärt.«
    »Soll ich es noch mal versuchen?«
    »Ich glaube, sie weiß, dass du nicht dazu befugt bist. Und eigentlich spielt es keine Rolle. Sie traut sich nicht.« »Hat sie Angst? Ist sie eingeschüchtert worden?« »Ich glaube, ja.« »Erst kürzlich?« »Vielleicht.« »Wo wohnt sie?«
    »Wieso? Du wirst doch wohl keine Dummheiten machen wollen?«
    »Im Dienst nie«, sagte Winter, und Michaela Poulsen lachte.
    »Und du denkst, weil du als Beobachter hier bist, wärst du nicht im Dienst.«
    »Das ist deine Interpretation. Übrigens habe ich ein paar Biker gesehen, die auf der Parallelstraße neben mir nach Blokhus gefahren sind.«
    »Haben sie dich beschattet?«
    »Sie wurden selbst beschattet, von den Bäumen. Aber ich weiß nicht, ob sie dort waren, weil ich dort war.«
    »Sie lieben die Natur«, sagte Michaela Poulsen. »Das gehört zu ihrer Subkultur.«
    Winter zählte ihr alle Fragen auf, die ihm auf der Fahrt gekommen waren, und Michaela Poulsen hörte geduldig zu.
    »Ich weiß nicht, wem das Haus jetzt gehört, aber das kann ich nachprüfen. Wenn wir genug vorzubringen haben, können wir einen neuen

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