Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schattenfrau

Die Schattenfrau

Titel: Die Schattenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
Vom Netzwerk:
verharrten sie unbewegt. »Jetzt darfst du dich setzen.«
    Sie stellte sich hinter ihn und begann, ihm Hals und Schultern zu bearbeiten.
    »Ich bin ganz schön verspannt, was?«
    »Nicht sprechen!«
    Winter schwieg. Er schloss die Augen und genoss es zu spüren, wie ihre starken Hände seine Durchblutung wieder in Gang brachten. Ihn entspannten. Sie massierte weiter.
    »Nicht so hart, das tut weh.«
    »Es soll wehtun. Du bist steif wie ein Brett. Schlimmer.«
    »Ich verspanne mir immer den Rücken, wenn ich lese.«
    »Und trotzdem bringst du deine Akten mit nach Hause.«
    Er antwortete nicht. Es gab nichts zu sagen. Es roch nach Essen. Durch die Balkontür kam kalte Luft herein.
    »Ich glaube, es reicht«, meinte er. »Jetzt kannst du mir die Pantoffeln holen.«
    »Ich bin keine Hausfrau«, erwiderte Angela. »Masseurin, ja. Hausfrau, nein.«
    »Das würdest du auch nicht aushalten«, sagte er.
    »Also sind wir wieder beim Thema«, gab sie zurück.
    »Bei welchem Thema?«
    »Wir sind heute zufällig beide hier in deiner Wohnung. Aber nur zufällig.«
    »Angela... «
    »Nein. Ich weiß ja, dass dir noch der Kopf schwirrt von alldem, was du in Dänemark erfahren hast. Dass dich die Suche nach dem kleinen Mädchen beschäftigt und... dieser Mord. All das. Ich weiß das und versuche, mich zurückzuhalten.«
    »Angela... «
    »Wir haben schon früher darüber geredet. Aber es werden neue Fälle kommen, neue Grausamkeiten. Und wenn ich nichts sage, ändert sich nie was. Ich weiß, du willst das so. Aber wenn ich einfach den Mund halte, passiert gar nichts. Und am Ende blickt man in den Spiegel und ist alt geworden.«
    Winter wusste nicht, was er sagen sollte. Sie hatte ja Recht, die Zeit verging, und man wurde alt.
    »Ich will mich ja nicht... beschweren, du weißt, dass ich das nicht will. Aber mir ist es ernst damit. War es immer ernst damit«, erklärte sie und wandte sich ab. Die Hände verschwanden von seinen Schultern. »Und ich bekomme nicht gerade meine Tage. Falls du meinst, es läge daran.«
    Er hatte gesessen und sie gestanden, während sie redete.
    Winter erhob sich und drehte sich zu ihr, die das Gesicht von ihm angewandt hatte.
    »Ich gehe jetzt nach Hause«, beschloss sie. »Ich will, dass du dich endlich entscheidest. Das wird dich ja wohl kaum überraschen.«
    Als sie sich ihm zuwandte, bemerkte er, dass sie ganz feuchte Augen hatte.
    »Es wird nie den richtigen Moment dafür geben«, sagte sie noch. »Du bist müde. Du musst diesen Fall lösen. Aber ich habe auch ein Problem, das ich lösen will: Wir haben beide ein Problem. Ich will nicht mehr... allein sein. Ich will nicht. Ich will nicht! Ich will nicht!«
    Angela ging in den Flur, und Winter rief ihren Namen, bekam aber keine Antwort. Er war wie gelähmt. Als er sich wieder bewegen konnte, folgte er ihr, sah aber nur noch das Zufallen der Wohnungstür. Ihre Schritte verklangen im Treppenhaus.
    Seine Aktentasche lehnte an der Wand neben der Tür. Eine Ecke Papier lugte heraus, dort, wo sie nicht richtig schloss. Er versetzte der Aktentasche einen Tritt, und sie prallte weich gegen die Wand.

III. TEIL

55
    Der Wind schlug ihr ins Gesicht. Sie lehnte an der Reling. Die Sonne stand tief, war nur noch ein Strich am Horizont, dort, wo die Erde zu enden schien. Es war die letzte Reise. Es begann zu regnen. Sie bemerkte es erst, als sie den Blick abwendete vom schwindenden Tageslicht. Ein letzter Blitz, ein letzter Sonnenstrahl, kurz wie ihre eigenen Momente der Erinnerung, die plötzlich über sie hereinbrachen und eine große Leere in ihr hinterließen. Als wäre sie aus einem Traum hochgeschreckt und fände sich wieder in einem fremden Leben. Die Rufe in ihrem Kopf, wie Echos.
    Das Böse finden. Das Böse besiegen. Wiederholte diese Stimme in ihr. Als sie wieder dort war, brach alles aus ihr hervor. Alles!
    Der Hof lag im Dunkeln. Der Alte stand hinter der Fensterscheibe und hob die Hand. Wie eine Vogelschwinge. Ein Quietschen wie von einer Schaukel.
    Im Auto war es still. Es gab kein Licht im Wagen. Auch draußen keine Geräusche.
    Erst war sie um den Tisch im Wohnzimmer herumgegangen, hatte ihre Kreise gezogen. Es war heiß, aber sie öffnete nicht das Fenster. Sie war im Keller, konnte da nicht bleiben.
    Die Sonne war da, dann war sie weg. Alles geschah gleichzeitig. Ich friere, Mama. Das wird bald besser. Es roch nach Nacht, nach Regen. Es fiel ihr wieder leichter, sich zu bewegen.
    Sie saß lange bei Mama. Sie schlief ein Weilchen auf dem Rücksitz

Weitere Kostenlose Bücher