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Die Schattenfrau

Die Schattenfrau

Titel: Die Schattenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Ende eines langen Tisches nieder und starrte den Mann gegenüber so lange an, bis der sich nach einigen Minuten verzog.
    Halders hob den Blick zum Himmel, schaute dem Feuerwerk zu. Das Licht wurde von den Gesichtern der Menschen reflektiert, ihre Stirnen sahen aus wie tätowiert, die Wangen und Kinne wie mit Zeichen gestempelt, die Halders nicht deuten konnte. Er nahm einen tiefen Schluck aus dem Becher, schloss kurz die Augen und dachte, er würde nie mehr schlafen können. Noch durch die Augenlider schimmerte es rot und gelb vom Schein am Himmel. Dann wurde es mit einem Schlag dunkler, als das Feuerwerk vorbei war. Halders öffnete die Augen. Ihm war übel. Er dachte an Aneta in ihrem weißen Krankenhausbett. Die finsteren Gedanken in seinem Kopf kreisten weiter.
    Winter war in das Spielhaus gekrochen und hatte sich auf die Luftmatratze gelegt. Sie war nur zur Hälfte aufgepumpt, und er spürte das Holz der Bodenbretter im Kreuz. Vielleicht war in den Ritzen etwas übrig geblieben. Vielleicht lag er auf Luft aus der Kindheit. Es roch hier drinnen jedenfalls nach Kindheit, ein trockener und weicher Duft, den er nie vergessen würde. Flüchtig und trotzdem unverkennbar.
    Winter breitete die Arme aus und tastete nach den Wänden zu beiden Seiten. Er schlief ein.

14
    Winter radelte in der Morgendämmerung nach Hause. Gegen besseres Wissen hatte er um Mitternacht einen Versuch gemacht loszufahren.
    »Leg dich doch hier hin«, hatte seine Schwester vorgeschlagen, und er hatte auf sie gehört.
    Im Grün des Slottskogen erholte er sich ein wenig. Die Straßenkehrer waren nun nach der Nacht im Einsatz, und beinahe wäre Winter umgefahren worden, als er regelwidrig schräg über den Linneplatsen bog.
    Seine Wohnung roch nach Wärme und Staub. Er streifte die Sandalen ab und bückte sich nach der Zeitung. Die GP behandelte den Mord mit Zurückhaltung und ohne Spekulationen. Winter suchte nach Anregungen für die Sitzung, die in zwei Stunden beginnen würde, fand aber nichts.
    Helene blieb namenlos, ein kalter Körper in einem weißen Sack mit Reißverschluss lag im Kühlraum. Es war Freitagmorgen, vierundzwanzig Stunden nachdem er ihr Gesicht zum ersten Mal gesehen hatte. Er versuchte, sich an die Züge zu erinnern, aber in seiner Erinnerung vermischten sie sich mit denen anderer Toter von früheren Fällen.
    Winter legte die Zeitung in den Zeitungskorb, zog das T-Shirt, Shorts und Unterhose aus und ließ die Sachen im Flur auf dem Boden liegen. Dann stellte er sich unter die Dusche und dachte an nichts, während ihm das Wasser auf Schädel und Schultern prasselte. Er rasierte sich, trocknete sich nachlässig ab und ging, mit dem Badetuch um die Hüften, in die Küche. Die Sonne kletterte über das Dach des Hauses auf der anderen Seite des Vasaplatsen. Winter veränderte die Stellung der Lamellen seines Rollos, nahm Bohnen und Mühle und mahlte frischen afrikanischen Kaffee. Der Duft stieg ihm in die Nase, und schon fühlte er sich gestärkt, noch bevor er den Kaffee gebrüht hatte.
    Er machte sich die zwei Baguettebrötchen, die er zuvor in der kleinen Bäckerei im Erdgeschoss gekauft hatte. Die Butter fühlte sich kühl an im Mund. Dazu aß er zwei dicke Scheiben Käse. Unten ratterten die Straßenbahnen vorbei. Eine Möwe landete auf dem Balkon, Winter konnte sie durch die Wohnzimmertür sehen. Mit einem Schrei flog sie auf und flatterte schwerfällig am Küchenfenster vorbei. Winter trank Kaffee und lauschte den Flügelschlägen in der Stille des Morgens.
    Die Besprechung war kurz.
    Winter hängte sein Sakko über die Stuhllehne, krempelte die Hemdärmel hoch und wischte etwas vom Hosenbein.
    Cerutti, dachte Sara Helander. Die kühle Qualität.
    »Wir wissen also immer noch nicht, wer sie ist«, begann Winter. »Die Zentrale hat ihre Identität auch nicht feststellen können.«
    »Wir klappern heute diese Ortschaft ab.« Fredrik Halders redete wieder einmal dazwischen. »Wie heißt sie noch?«
    »Helenevik«, antwortete Bertil Ringmar.
    »Ihr werdet zu siebt sein«, erklärte Winter.
    »Oho.«
    »Mehr bringen wir nicht auf die Beine. Es geht allerdings um das ganze Gebiet, von dem ich gestern gesprochen habe.«
    »Ich meinte ja auch, dass das wirklich viele sind«, gab Halders zu. »I am impressed.«
    Winter blickte ihn an, sagte aber nichts. Fredriks Problem, seine Einstellung, wurde immer offensichtlicher. Winter würde mit ihm reden müssen. War das so, wenn man alt wurde? Wenn man die magische Grenze der vierzig

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