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Die Schattenhand

Die Schattenhand

Titel: Die Schattenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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auch, das mit dem Kindermädchen.»
    «Ich weiß nicht, was du meinst», sagte ich würdevoll.
    «Ach was? Dir stand doch bei jedem Blick auf sie die Verbitterung ins Gesicht geschrieben! Ich bin ganz deiner Meinung. Welch eine Verschwendung.»
    «Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.»
    «Aber ich bin trotzdem heilfroh. Endlich kommt wieder Leben in dich. Ich habe mir ziemliche Sorgen um dich gemacht, als du in der Klinik warst. Du hattest so eine kesse Krankenschwester, und du hast ihr nicht einen Blick gegönnt. So ein flotter Käfer – ein Geschenk des Himmels für jeden Kranken.»
    «Ich muss sagen, liebe Joanna, du redest ausgesprochen vulgär daher.»
    Meine Schwester fuhr fort, ohne meinen Kommentar auch nur im Geringsten zu beachten:
    «Also war ich äußerst erleichtert, zu entdecken, dass du deinen Appetit auf Frischfleisch nicht ganz verloren hast. Sie sieht wirklich fabelhaft aus. Komisch, dass sie so gar keinen Sexappeal hat. Es ist schon sonderbar, Jerry. Was ist das, was manche Frauen haben und andere nicht? Warum braucht eine bestimmte Art von Frau nur zu sagen: ‹Scheußliches Wetter heute›, und schon kommt jeder Mann in Reichweite angestürmt und will mit ihr über das Wetter reden? Ich nehme an, die göttliche Vorsehung vertut sich manchmal, wenn sie ihre Päcklein verschickt. Bitte einmal Gesicht wie Aphrodite, Figur wie Aphrodite, Temperament dito. Nur geht was schief, das Aphrodite-Temperament landet bei einem kleinen, unscheinbaren Mäuschen, und die anderen Frauen sind stinkwütend und sagen: ‹Ich frage mich, was die Männer an ihr finden. Sie sieht nicht mal gut aus!›»
    «Bist du bald fertig, Joanna?»
    «Du stimmst mir doch zu, oder?»
    Ich grinste. «Na gut, ich war enttäuscht.»
    «Und ich wüsste auch nicht, wer sonst für dich in Frage käme. Außer natürlich Aimée Griffith.»
    «Da sei Gott vor», sagte ich.
    «Sie sieht gar nicht schlecht aus.»
    «Ich mag keine Amazonen.»
    «Sie hat Freude am Leben», sagte Joanna. «Grauenhaft, diese Energie. Es würde mich nicht wundern, wenn sie jeden Morgen ein kaltes Bad nimmt.»
    «Und was machen wir mit dir?», fragte ich.
    «Mit mir?»
    «Ja. Wie ich dich kenne, wirst du auch ein wenig Zerstreuung brauchen.»
    «Ach, und wer redet hier vulgär daher? Außerdem vergisst du Paul.» Joanna stieß einen nicht sonderlich überzeugenden Seufzer aus.
    «Ich werde ihn längst nicht so schnell vergessen wie du. In zehn Tagen wirst du sagen: ‹Paul? Paul Wer? Ich kenn keinen Paul.›»
    «Du hältst mich für flatterhaft», sagte Joanna.
    «Bei Leuten wie Paul ist Flatterhaftigkeit die einzige Rettung.»
    «Du hast ihn nie leiden können. Dabei hatte er wirklich etwas Geniales.»
    «Mag sein, auch wenn ich es nicht glaube. Außerdem sollen Genies ziemlich unausstehliche Zeitgenossen sein. Das ist das Gute an dieser Gegend, Genies gibt’s hier keine.»
    Joanna dachte ein Weilchen nach, den Kopf schief gelegt.
    «Da hast du wohl leider Recht», sagte sie schließlich bedauernd.
    «Du wirst dich an Owen Griffith halten müssen», sagte ich. «Er ist der einzige ledige Mann weit und breit. Es sei denn, du zählst den alten Colonel Appleton mit. Der hat dich den ganzen Nachmittag über angestarrt wie ein hungriger Wolf.»
    Joanna lachte.
    «Allerdings. Es hat mich ganz verlegen gemacht.»
    «Tu nicht so. Du bist nie verlegen.»
    Joanna fuhr schweigend durchs Tor und weiter bis zur Garage.
    Dann sagte sie: «Vielleicht gar keine so schlechte Idee.»
    «Was?»
    «Ich sehe nicht ein, warum irgendjemand vorsätzlich die Straßenseite wechseln sollte, wenn ich komme», erwiderte Joanna. «Es ist ausgesprochen unhöflich, von allem anderen mal abgesehen.»
    «Aha», sagte ich. «Du willst den Mann also kaltblütig zur Strecke bringen.»
    «Ich mag es nur nicht, wenn man mir aus dem Weg geht.»
    Langsam und vorsichtig stieg ich aus dem Auto und brachte meine Stöcke in Position. Und dann gab ich meiner Schwester einen Rat.
    «Lass dir eins gesagt sein, mein Herz. Owen Griffith ist keiner von deinen schlappschwänzigen, wehleidigen Künstlerheinis. Wenn du nicht aufpasst, stichst du in ein Hornissennest. Der Mann könnte gefährlich sein.»
    «Ja? Meinst du?», fragte Joanna, sichtlich angetan von der Vorstellung.
    «Lass den armen Kerl in Ruhe», sagte ich streng.
    «Wie kann er es wagen, die Straßenseite zu wechseln, wenn er mich kommen sieht?»
    «Ihr Frauen seid doch alle gleich. Immer haut ihr in dieselbe Kerbe. Außerdem wird Schwester

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