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Die Schattenhand

Die Schattenhand

Titel: Die Schattenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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holte tief Luft. Ich warf einen Blick zur Uhr hinüber. Es war halb elf.
    «Meinen Sie, sie ist schon zurück?»
    Partridge machte ein missbilligendes Gesicht.
    «Ja, Sir. Bei Symmingtons müssen die Mädchen um zehn zurück sein. Sie halten auf die alten Sitten dort.»
    «Ich rufe an», sagte ich.
    Und ging in die Diele. Joanna und Partridge folgten mir. Partridge war sichtlich erbost, Joanna verwirrt. Während ich nach der Nummer fragte, sagte sie:
    «Was machst du da, Jerry?»
    «Ich will nur sichergehen, dass das Mädchen nach Hause gekommen ist.»
    Partridge zog Luft durch die Nase ein. Ein kurzer Schniefer. Aber Partridges Schniefer konnten mich nicht beeindrucken.
    Elsie Holland hob ab.
    «Bitte entschuldigen Sie die Störung», sagte ich. «Hier ist Jerry Burton. Hat – ist – Ihr Dienstmädchen Minnie schon zurück?»
    Erst nachdem es heraus war, erschien mir mein Vorgehen plötzlich etwas töricht. Denn wenn das Mädchen daheim und alles in Ordnung war, wie in aller Welt sollte ich dann meinen Anruf und die Frage rechtfertigen? Es wäre klüger gewesen, die Sache Joanna zu überlassen, obwohl auch das einiger Erklärung bedurft hätte. Ich sah den Dorfklatsch von Lymstock schon sein neues Thema finden: mich und die unbekannte Minnie-Maus.
    Elsie Holland klang – verständlicherweise – recht erstaunt.
    «Minnie? Ja, die muss da sein.»
    Ich kam mir sehr dumm vor, ließ aber nicht locker.
    «Wären Sie vielleicht so gut und würden kurz nachschauen, ob sie wirklich da ist, Miss Holland?»
    Das muss man Kindermädchen zugute halten: Sie tun, was man ihnen aufträgt. Widerworte sind nicht ihres Amtes. Elsie Holland legte den Hörer hin und marschierte brav los.
    Zwei Minuten später hörte ich ihre Stimme.
    «Sind Sie noch dran, Mr Burton?»
    «Ja.»
    «Minnie ist nicht da.»
    Meine Vorahnung hatte sich bewahrheitet.
    Am anderen Ende der Leitung murmelten Stimmen, dann meldete sich Symmington selbst.
    «Hallo, Burton, was gibt’s?»
    «Ihr Dienstmädchen Minnie ist noch nicht zurück?»
    «Nein. Miss Holland hat gerade nachgesehen. Was ist los? Es hat doch keinen Unfall gegeben?»
    «Einen Unfall nicht», sagte ich.
    «Heißt das, Sie vermuten, dass dem Mädchen etwas zugestoßen ist?»
    «Es sollte mich nicht wundern», sagte ich grimmig.

Achtes Kapitel
    I
     
    I ch schlief schlecht in dieser Nacht. Einzelteile des Puzzles spukten mir im Kopf herum. Heute glaube ich, wenn ich mich nur richtig konzentriert hätte, wäre ich schon damals auf die Lösung gekommen. Warum sonst hätten mich diese Bruchstücke so hartnäckig verfolgen sollen?
    Wie groß ist das Wissen, über das wir verfügen? Viel größer, denke ich, als wir die meiste Zeit über ahnen. Aber es ist ein unterirdisches Wissen, unserem Zugriff entzogen. Es ist da, aber es bleibt uns verschlossen.
    Ich lag im Bett und warf mich hin und her, unablässig geplagt von verschwommenen Gedankenfetzen.
    Es gab ein Muster, ich musste es nur erkennen. Wer hatte diese verfluchten Briefe geschrieben? Die Spur lag vor mir, nur lesen konnte ich sie nicht…
    Während ich in den Schlaf hinüberglitt, tanzten einzelne Worte aufreizend durch mein umnebeltes Hirn.
    Wo Rauch ist, ist auch Feuer. Wo Feuer ist, ist auch Rauch. Rauch… Rauch? Rauchschutzschleier… Nein, das war der Krieg – ein Ausdruck aus dem Krieg. Krieg. Ein Fetzen Papier… ein bloßer Fetzen Papier. Belgien – Deutschland…
    Ich schlief ein. Im Traum führte ich Mrs Dane Calthrop, die sich in ein Windspiel verwandelt hatte, mit Halsband und Leine spazieren.
     
    II
     
    Telefonklingeln weckte mich. Ein beharrliches Klingeln.
    Ich setzte mich im Bett auf und sah auf die Uhr. Halb acht. Ich war noch nicht gerufen worden. Das Telefon klingelte unten in der Diele.
    Mit einem Satz sprang ich aus dem Bett, warf mir einen Bademantel über und rannte die Treppe hinunter. Ich schaffte es ganz knapp vor Partridge, die aus der Küche hereinkam, und hob den Hörer ab.
    «Hallo?»
    «Oh…» Es war ein Schluchzer der Erleichterung. « Sie sind dran!» Megans Stimme. Megans Stimme, unendlich verloren und verängstigt. «Oh, bitte kommen Sie – bitte. Kommen Sie her, bitte, ja?»
    «Ich bin sofort da», sagte ich. «Hast du gehört? Sofort.»
    Ich nahm zwei Stufen auf einmal und riss Joannas Tür auf.
    «Jo, ich fahr rüber zu Symmingtons.»
    Joanna hob den blonden Lockenkopf vom Kissen und rieb sich die Augen wie ein kleines Kind.
    «Wieso – was ist denn?»
    «Ich weiß es nicht. Das war eben die

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