Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen
auffallend schwerfällig, und er zog ein Bein nach, das steif zu sein schien.
Endlich hatte er eine Seite des Tisches freigeräumt und nahm wortlos Platz. Der Magier sah so ganz anders aus, als Dubhe ihn sich vorgestellt hatte. Sein Gesicht, zu einem guten Teil durch sein langes Haar und den Bart verdeckt, war ein einziges Gewusel von Falten, aus dem zwei lebhafte hellblaue Augen hervorschauten. Seine Hände sahen schlimm aus, knöchern und eingeschwärzt von irgendwelchen Substanzen, und zitterten stark. Kein Zweifel, Sennar war ein Greis, gab ein Bild ab, das meilenweit von dem jungen Helden entfernt war, der Dubhe in ihrer Kindheit begeistert hatte. »Nun?«
Lonerin riss sich aus seinen Gedanken. Auch er schien irgendwie betroffen, hielt den Blick gesenkt, auf die Papiere am Boden gerichtet. Sennar folgte seinem Blick. »Bist du ein Ratsmitglied?«
Er schüttelte den Kopf. »Nur ein Schüler des Rats, der das Land des Meeres vertritt.«
»Und wieso schockieren dich meine Bücher zur schwarzen Magie?«
Lonerin errötete heftig.
»Ich bin sicher, auch du hast dich schon mal mit verbote nen Zaubern beschäftigt, vielleicht auch schon welche angewandt.«
Lonerin zuckte zusammen, und Sennar reagierte mit einem gemeinen Lächeln. »Aha! Und ob du es getan hast ...«
Einen Moment musterte er die beiden mit einer alles anderen als freundlichen Miene.
»Machen wir's kurz. Je eher ihr wieder verschwindet, desto besser für uns alle. Also, was wollt ihr von mir?«
Lonerin versuchte, seine Gedanken zu sammeln, nahm sich einen Stuhl und setzte sich zu Sennar an den Tisch. Dubhe tat es ihm nach.
Er räusperte sich noch einmal und begann dann zu erzählen. Offenbar hatte er lange darüber nachgedacht, was und wie er es sagen sollte, denn es hörte sich an, als lese er einen Text vor. Dabei war sein Gesicht rot wie eine Tomate, und die große Sicherheit, die er üblicherweise zeigte, wenn er etwas in der Öffentlichkeit vortrug, schien ihn gänzlich verlassen zu haben. Er verschluckte ganze Wörter, verhaspelte sich, verlor den Faden.
Eine Hand an die Wange gelegt, saß Sennar da und hörte zu. Dabei musterte er Lonerin mit überheblicher Miene, ließ seinen kalten Blick über jeden Zoll des Jungen wandern. Fast schien er sich zu amüsieren über Lonerins Verlegenheit, tat nichts, um ihn ein wenig aufzubauen. Dubhe hingegen betrachtete er nur hin und wieder mit einem flüchtigen Blick. Das Wams, das die Huye ihr gegeben hatten, ließ das Symbol auf ihrem Oberarm gut erkennen.
»Kommt ihr aus Ghuars Dorf?«, fragte er plötzlich an Dubhe gewandt. Lonerin war noch mitten in seinem Vortrag, berichtete gerade Näheres über Dohor und wie dieser an die Macht gelangt war. »Ja, wir waren bei den Huye. Sie haben uns den Weg zu Eurem Haus gezeigt«, antwortete er rasch.
Sennar kniff wieder die Augen zusammen, wodurch die helle Narbe auf einer Wange deutlicher zu sehen war, und sagte, während er weiter Dubhe anblickte: »Ghuar hat offenbar beschlossen, unsere stillschweigende Übereinkunft zu brechen.«
»Nein, wir waren es, die ihn eindringlich darum baten, uns zu helfen. Offenbar ließ er sich von unseren guten Gründen überzeugen«, erklärte Lonerin wieder. Erst jetzt wandte Sennar dem jungen Magier das Gesicht zu. »Es ist völlig überflüssig, dass du hier die ganze Geschichte der Aufgetauchten Welt seit meinem Weggang vor mir ausbreitest. Ido hat mir im Lauf der Jahre häufiger geschrieben, und auch wenn er das nicht getan hätte, wüsste ich doch schon alles, was geschehen ist. Sie ist so banal, diese Aufgetauchte Welt, so langweilig. Alles schon mal da gewesen. Ob er nun Dohor heißt oder Aster, ob er aus dem Land der Nacht kommt oder aus dem des Feuers, das ist doch gleich. Irgendjemand reißt die Macht an sich, und der Frieden ist dahin. Die Aufgetauchte Welt lebte schon immer am Rand des Krieges, wird zerstört und entsteht neu aus der Asche, nur um der nächsten Katastrophe entgegenzugehen. Und eines Tages dann wird sie ganz untergehen, wird im Blut ertrinken, denn das ist es, was sie immer schon anstrebte, von Anbeginn an.«
Ein Schweigen entstand, und Dubhe ließ den Blick zwischen den beiden Magiern hin und her wandern.
»Ja, das ist dieser Kreislauf, nicht wahr«, sagte Lonerin dann, »den Ihr selbst in der Geschichte der Drachenkämpferin beschrieben habt. Ein immerwährender Kreislauf, der dazu führt, dass ...«
Bevor er seinen Gedanken zu Ende bringen konnte, brach Sennar in Gelächter aus. Es
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