Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen
gern von ihr unterstützen, weil du dir in der Rolle des Helden so gut gefällst.«
Dubhe fühlte sich gedemütigt und gleichzeitig durchschaut von diesen Worten und ebenso Lonerin, der nun entrüstet entgegnete: »Das kann nicht Euer Ernst sein ...«
Sennar lächelte verbittert. »Ich bin sechzig Jahre alt, ein alter, verlorener Mann. Aber du bist es, der die Dinge nicht richtig einzuschätzen weiß, weil du im Grund noch ein kleiner junge bist. In deinem Alter habe ich selbst auch noch so gedacht, und schau mich jetzt an. Früher oder später verrauchen alle Illusionen.« Lonerin senkte den Blick. Noch ein paar Tage zuvor hätte er jetzt Dubhe angeschaut, hätte bei ihr Kraft und Argumente gesucht.
Und vielleicht hätte Dubhe ihm geholfen. Jetzt war es nicht so. Sie wusste selbst nicht, was sie entgegnen sollte. »Wir verlangen ja nicht viel von Euch«, zwang sie sich jetzt zu sagen.
Sennar durchbohrte sie mit seinem Blick.
»Wir haben diesen langen Weg auf uns genommen, um Euch zu bitten, uns mit einem einfachen Ratschlag zu helfen. Wir müssen wissen, durch welche Magie die Gilde Aster wiedererwecken will und was wir ihr entgegensetzen können.« »Was bist du eigentlich? Er ist ein Magier, aber du?«
Dubhe schlug die Augen nieder. »Ich bin eine Diebin. Die Gilde der Assassinen hat mich in ihre Reihen gezwungen, damit ich für sie Verbrechen verübe.«
»Aber mitgekommen bist du deswegen, nicht wahr?«, antwortete Sennar, während er auf das Symbol auf ihrem Arm deutete.
Dubhe nickte.
»Dann kümmere dich um deine eigenen Interessen und gibt keine anderen vor, nur um deinem Freund zu gefallen.« »Ich will ihm gar nicht gefallen.« »Ach nein?«
»Als ich ihm folgte, erklärte ich mich bereit, ihn bei seiner Mission zu unterstützen und seine Ziele zu teilen.« Sie spürte, dass Lonerin sie verstohlen anblickte. »Außerdem hasse ich die Gilde. Sie war es, die mich mit dem Fluch dieses Siegels strafte.«
Sennar betrachtete sie lange, und ebenso lange ließ er den Blick auf dem Zeichen ruhen. »Weiß du eigentlich, wer Thenaar ist?«
Verwirrt schüttelte Dubhe den Kopf.
»Thenaar ist ein anderer Name für Shevrar.«
Sie schaute ihn entgeistert an. Von dieser Gottheit hatte sie gehört, hatte in den Nihal-Balladen über sie gelesen. Shevrar war der elfische Gott, dem die Halbelfe als Säugling geweiht worden war. Zu jener Zeit wurden die Halbelfen bereits von Aster verfolgt. Als das Dorf, in dem Nihals Eltern lebten, von Fammin angegriffen wurde, legte die Mutter ein Gelübde ab: Sollten sie mit dem Leben davonkommen, würde sie die Tochter Shevrar, dem Gott des Krieges und des Feuers, weihen, jenem Gott, der gleichzeitig Schöpfer war und Zerstörer. »Bevor ich in diese Welt aufbrach«, fuhr Sennar fort, »hatte ich Gelegenheit, eine Reihe von Schriften von Asters Hand durchzusehen. Aus ihnen geht hervor, dass zu seinen engsten Mitstreitern die fanatischen Anhänger eines Elfengottes zählten, eine Sekte, die gleich nach dem Verschwinden der Elfen unter den Menschen entstanden war. Diese nahmen an Shevrar nur die zerstörerische Seite wahr. Im Lauf der Zeit wandelte sich dann der Name des Gottes zu Thenaar, doch die Gottheit ist immer noch dieselbe.«
Von diesen Worten fühlte sich Dubhe seltsam berührt. Ihr war, als seien Vergangenheit und Gegenwart durch einen einzigen Faden verbunden, und sie und Nihal teilten etwas, das sehr, sehr tief reichte.
»Das ist das Wesen der Aufgetauchten Welt: Man nimmt sich etwas an sich Gutes und Schönes und verdirbt es bis ins Mark, verformt es und verändert es so lange, bis etwas Bösartiges daraus geworden ist«, erklärte Sennar seufzend. Dann wandte er sich wieder Lonerin zu. »Es tut mir leid, dass mein Urteil so hart ausfällt, es tut mir leid um deine Träume, und glaube mir, ich empfinde Respekt vor den Dingen, an die du noch glaubst. Doch die Zeit macht einem vieles klar, und leider wirst du diese Erfahrung noch machen müssen. Vor vielen, vielen Jahren sagte mir Graf Varen aus Zalenia, der Untergetauchten Welt, in die ich gezogen war, um Hilfe und Beistand im Kampf gegen den Tyrannen zu bitten: >Die Zeit beugt die Menschen.<« »Ich weiß«, sagte Lonerin, »ich habe davon gelesen ...«
»Damals dachte ich, der Graf sei zu pessimistisch. Aber er hatte recht. Und der Grund ist weniger, dass das Alter einen schwächt, sondern dass man mit den Jahren das wahre Wesen der Welt erkennt und an dieser Erkenntnis langsam zerbricht. Ich habe es durchgemacht,
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