Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen
durch den Schlamm, wobei er durch Dubhes Gewicht mit dem Gesicht tief im Dreck versank. Er richtete sich auf und hockte mit klappernden Zähnen da.
Es war zum Verzweifeln: Alles sah gleich aus, Blätter, Bäume und der unbarmherzige Himmel über ihm. In welche Richtung musste er eigentlich? Ruhe bewahren, nur die Ruhe bewahren . . .
Mit der freien Hand holte er die Nadel hervor und sprach die Zauberformel. Das schwache bläuliche Licht deutete in eine Richtung hinter ihm. Er hatte die Orientierung verloren.
Verflixt!
Stöhnend lud er sich die immer noch ohnmächtige Dubhe auf und machte sich wieder auf den Weg.
»Dubhe! Dubhe, wach doch auf!«
Ein Donnern übertönte jeden anderen Laut.
»Keine Angst, ich bringe dich in Sicherheit. Sei unbesorgt«
Tatsächlich hatte er aber keine Ahnung, wohin sie unterwegs waren. Er folgte nur dem bläulichen Licht, das fleischige Blüten und riesengroße Blätter auf seinem Weg erhellte. Aufs Geratewohl kämpfte er sich vorwärts, er hatte keine andere Wahl.
Der Wald schien nun noch dichter zu werden, und Lonerin spürte, dass ihn die Beine nicht mehr lange tragen würden. Er schaffte es kaum noch, das Mädchen durch den Wald zu schleppen, und doch folgte er unverdrossen dem Licht, das beständig in eine Richtung zeigte: Er durfte nicht schlappmachen, er musste Dubhe in Sicherheit bringen.
Immer mehr Zweige schlugen ihm ins Gesicht, und er musste sich bücken, um weiterzukommen. Er war in eine Art finsteren, engen Tunnel aus Blättern und Zweigen eingedrungen. Einen Augenblick blieb er stehen. Jetzt wusste er gar nicht mehr, wo er sich befand, und fragte sich, wie er dort hineingelangt war. Aber plötzlich krümmte sich das blaue Flämmchen nach rechts. Das war noch nie vorgekommen, und wieder zögerte er.
Immerhin bot der Tunnel Schutz vor dem Regen, und ein eigenartiges Kribbeln in den Händen gab Lonerin das Gefühl, dass die Lichtsichel von einem Zauber angelockt wurde. Gleichzeitig spürte er, dass keine unmittelbare Gefahr drohte, und beschloss weiterzugehen. Zuvor aber ließ er Dubhe von seinen Schultern zu Boden gleiten, ergriff ihre Arme und schleifte sie vorsichtig hinter sich her. Auf diese Weise kämpfte er sich auf allen vieren ein gutes Stück voran. Immer schmaler wurde der Tunnel, und bald war es kaum noch möglich, sich umzudrehen. Es gab nur noch eine Richtung: vorwärts. Je weiter er vordrang, desto mulmiger wurde ihm. Mehr und mehr fühlte er sich wie in einem Käfig, seine Hoffnungen schwanden, während der Regen immer ohrenbetäubender auf das Blätterdach trommelte. In seiner Verzweiflung begann er zu schreien, so gellend laut, dass ihm bald die Kehle wehtat. Da erstrahlte plötzlich ein grelles Licht vom Ende des Tunnels her, und Lonerin schirmte die Augen mit einem Arm ab und bemühte sich, etwas zu erkennen. Als sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, erblickte er etwas Wunderschönes: Vor ihm breitete sich eine von Büschen und Bäumen umstandene Lichtung aus, in deren Mitte sich ein mächtiger Baum mit silbernen Blättern erhob, der ein starkes orangefarbenes Licht ausstrahlte. Einen solch immensen Baum hatte Lonerin noch nie gesehen. Von oben betrachtet musste er wie ein glitzernder silberner Fleck im grünen Meer der Bäume aussehen. Von dem hellen, von zahllosen Äderungen durchzogenen Stamm gingen im unteren Teil unzählige Verzweigungen ab, die in der schwarzen fetten Erde verwurzelt waren. Die schillernden Reflexe des Laubwerks erhellten alles ringsum in weitem Umkreis, wobei die Blätter leicht zitterten, obwohl keinerlei Windhauch zu spüren war. Es war, als lebte der Baum, als durchströme eine ununterbrochene Kraft sein Inneres bis tief in die Erde hinein.
Es war ein Vater des Waldes, wie es sie auch in der Aufgetauchten Welt gab, in jedem Wald einen. Dabei handelte es sich um ganz besondere Bäume, die von Urgeistern bewohnt wurden und den Wäldern, deren Wächter sie waren, Kraft und Lebenssaft schenkten.
Jetzt wurde Lonerin alles klar. Der Baum mit seiner Zauberkraft war es gewesen, der sein wegweisendes bläuliches Licht im Tunnel angezogen hatte. Mit einem bewundernden Lächeln betrachtete er den Vater des Waldes. Er wusste, hier würde sie niemand finden und es niemand wagen, ihnen etwas anzutun. Plötzlich zuckte er zusammen: Etwas hatte sein Bein gestreift.
Da sah er Dubhe, die ihn mit verschleierten, aber offenen Augen und leidender Miene anblickte. Sie war zu ihm gekrochen.
»Wir haben es geschafft!«, rief
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