Die Schattenleserin - Nachtschwarze Träume: Roman (German Edition)
Zweifel an ihm oder dem Hof hätte.
Radath atmet aus, dass es beinahe wie ein Knurren klingt. »Sie ist nutzlos. Wir hätten den Austausch nicht machen sollen.«
»Sie ist nicht nutzlos, Radath« , erwidert Atroth ruhig. »Es könnte einige Zeit dauern, bis ihr mehr einfällt. Sie ist traumatisiert. Seht Euch ihren Hals an.« Ich muss mich sehr zusammenreißen, um die Narbe an meiner Kehle nicht zu berühren. »Ihre Zeit bei den Rebellen war nicht angenehm.«
»Sie haben sie bedroht« , stimmt ihm Radath zu. »Man fragt sich schon, warum sie sie überhaupt am Leben gelassen haben. Welche Geheimnisse hat sie ihnen verraten?«
Kyol sieht dem Lord General in die Augen. »Sie ist stark. Sie würde uns niemals verraten.»
Ich starre auf das perlende Wasser in meinem Glas hinunter und habe Angst, dass mein Gesichtsausdruck zu viel verraten könnte und sie irgendwie merken, dass ich alles verstehe. Kyol glaubt an mich. Das sollte doch etwas bedeuten. Aber glaube ich noch an ihn?
»Naito würde wissen, wo wir sie finden können.«
Stille. Dann sagt Kyol so emotionslos wie immer: »Sie weiß nicht, dass er tot ist.«
Zum Glück macht sich der Schock erst langsam bemerkbar. So habe ich Zeit, die Kontrolle über mich zu behalten, meine Finger in meine Knie zu bohren und meiner Lunge zu befehlen, weiterhin zu atmen. Ich habe Raens Worte richtig verstanden, aber ich habe ihm bis eben nicht geglaubt. Naito ist tot. Kyol hat ihn getötet. Kyol hat ihn getötet.
Großer Gott, ich war so ein Dummkopf, ein verachtenswerter, widerlicher Dummkopf. Aren hat mir gesagt, dass ich ein viel zu großer Dickkopf bin, und er hatte recht. Ich habe mich von meiner Liebe zu Kyol blenden lassen. Ich habe zugelassen, dass er mich benutzt.
Aren. Ich rufe seinen Namen in meinem Kopf, als ob er mich hören könnte. Ich hätte bei ihm bleiben sollen, und ich hätte ihm das Sidhe Tol verraten sollen.
»McKenzie?«, fragt Kyol neben mir.
»Was ist?« Ich zwinge mich, aus meiner Erstarrung zu erwachen. Ich darf nicht ausrasten, zumindest jetzt noch nicht.
»Erinnerst du dich an sonst noch etwas?«
Ich kann seinen Gesichtsausdruck noch immer nicht deuten. Hat er je etwas für mich empfunden, oder hatte Lena recht? Hat er sich meine Loyalität mit einem Kuss gesichert?
»Nein«, sage ich und habe meine Stimme jetzt besser unter Kontrolle. »Das ist alles.«
»Sie hält etwas zurück« , sagt Radath. Ich traue mich nicht, dem Lord General in die Augen zu sehen.
»Wenn sie etwas Nützliches wüsste« , schaltet sich Kyol ein, »dann würde sie es uns sagen.«
Die Diamanthalskette scheint ein Loch in meine Hosentasche zu brennen.
»Ihr irrt Euch, Taltrayn. Ihr habt Zeit bis zum Sonnenuntergang, um herauszufinden, was sie vor uns verheimlicht.«
»Und wie soll ich Eurer Meinung nach das aus ihr herausholen, was sie gar nicht weiß, Lord General?«
Radath lächelt. »Nutzt Eure Fantasie. Das Mädchen ist in Euch verliebt. Schlagt sie, geht mit ihr ins Bett, mir ist es egal, was Ihr tut, aber tut, was Ihr tun müsst, damit sie kooperiert.«
20
M ein Gesicht muss weiterhin gleichgültig wirken, ich darf mir nichts anmerken lassen. Das ist leichter als erwartet, weil ich im Inneren wie erstarrt bin. Ich spüre nichts außer einem kalten, zackigen Eisberg, der mein Herz umgibt.
»McKenzie«, sagt Kyol, sobald wir den Thronsaal verlassen haben. »Was ist los?«
Ich gebe ihm keine Antwort und setze einfach weiter einen Fuß vor den anderen. Ich dachte, ich wüsste, wie sich ein gebrochenes Herz anfühlt, als ich glaubte, Kyol wäre gestorben, als er mich vor den Rebellen schützen wollte. Dieser Schmerz war tief und heftig gewesen, aber zumindest habe ich damals noch etwas gespürt.
Wie betäubt nehme ich Kurs auf den Skulpturengarten.
»Nein.« Kyol führt mich in die entgegengesetzte Richtung. »Hier lang.«
Er bringt mich zu seinem Quartier, erkenne ich. Ich sollte weglaufen, aber wo soll ich schon hin? Ich bin im Reich gefangen, bis mich ein Fae durch einen Riss zurück in meine Welt bringt. Ich brauche sogar einen Fae, der mich zu Aren begleitet.
Also starre ich einfach vor mich hin. Ich bin auf den Bad Guy, den bösen Buben reingefallen. Typische dumme Mädchensache. Aber schließlich war ich auch erst sechzehn, als ich Kyol kennenlernte. Vielleicht war er Teil meiner Rebellion als Teenager. Ich war zu jung und zu naiv, um seine Manipulationen zu durchschauen.
Himmel, ich habe mich so sehr in ihm geirrt. Er ist nicht ehrenhaft, er
Weitere Kostenlose Bücher