Die Schattenleserin - Nachtschwarze Träume: Roman (German Edition)
brauche Hilfe, aber wir haben uns aufgeteilt. Zu viele sind verletzt.« Er fährt sich mit der Hand durchs Haar.
So habe ich ihn noch nie zuvor gesehen. Er wirkt … desorientiert. Als würde er neben sich stehen. Als hätte er keine Ahnung, was er jetzt machen soll. Während ich noch herauszufinden versuche, was mit ihm los ist, flüstert Kelia Lorn zu: »Sethan ist in den Äther gegangen.«
Mein Innerstes gefriert zu Eis. Besiegt, genau so sieht Aren aus. Aren mochte derjenige sein, der sich um die Kriegsführung gekümmert hat, bestimmt hat, wann, wo und wie der Hof angegriffen wird, aber er ist kein Nachfahre. Er kann Atroth nicht ersetzen, das konnte nur Sethan.
Verdammt. Hat die Rebellion den Krieg verloren?
»Die Polizei von Vancouver ist da«, berichtet sie weiter. »Es sind Feuer ausgebrochen. Pfeile umhergeflogen. Es gab menschliche Verluste. Wir wissen noch nicht, wie sie die ganze Sache einstufen.«
Ich habe das Gefühl, als würde jemand mit einem Eispickel auf meine Augen einhacken. Ich drücke mir den Handballen gegen die Stirn und versuche, den Druck ein wenig abzubauen. So ganz kann ich nicht glauben, dass Atroth so einen Angriff befohlen hat. Seine Fae haben sich bisher immer sehr bemüht, normalen Menschen nicht zu schaden.
»Es tut mir leid«, sage ich, als Aren zurück in den Schatten kommt.
Er lächelt mir erneut gezwungen zu. »Wir werden dich hier rausbringen.«
»Das habe ich nicht …«
»Unter diesen Bedingungen?« Lorn schüttelt den Kopf. »Ich denke, ich werde mit Kelia verschwinden. Ich habe bereits mehr als genug Zeit und Energie in deine zerfallende Rebellion gesteckt, Aren.«
Seine zerfallende Rebellion. Ein Muskel in Arens Wange zuckt. Es muss wehtun, mit anzusehen, wie alles, wofür er gekämpft hat, nach dem Tod eines einzigen Fae auseinanderfällt.
»Ich bleibe hier und helfe ihnen«, sagt Kelia. Lorn verdreht die Augen, sieht aber nicht überrascht aus.
Jetzt muss er ebenfalls bleiben, wenn er ihre Sicherheit garantieren will.
»Hast du keine Leute, die du herholen kannst?«, frage ich und erinnere mich an den Dolch, der Delan getötet hat. Irgendjemand in der Schenke hat ihn geworfen.
»Lorn ist zu besorgt um seine Neutralität, um seine Leute da mit reinzuziehen.« Aren schleicht wieder zur Ecke des Gebäudes.
Lorn zuckt mit den Achseln. »Unter Atroths Herrschaft geht es mir gut. Meine Partner haben keinen Grund, einen neuen König im Silberpalast sehen zu wollen.«
Aus diesem Grund traue ich Lorn nicht – er hilft einem nur, wenn er profitieren kann. Oder Kelia zuliebe.
Aren huscht wieder in die Dunkelheit. »Noch mehr Fae. Und sie sind in Bewegung.«
»Organisierte Patrouillen am Seeufer?«, fragt Lorn. Als Aren nickt, fügt er mit einem theatralischen Seufzer hinzu: »Das war nur eine Frage der Zeit.«
»Wir müssen hier weg«, erkennt Aren. »Ich werde euch so viele Königstreue vom Leib halten, wie ich nur kann, aber du musst dich um die kümmern, die mir entwischen. Bleib bei McKenzie und Kelia, bis sie durch das Tor gegangen sind.«
Er sieht mir in die Augen und versucht, zuversichtlich zu erscheinen. »Hast du den Dolch noch, den ich dir gegeben habe?«
Ich ziehe ihn aus meinem Hosenbund.
»Gut. Ich hoffe, du wirst ihn nicht brauchen.«
Lorn schnaubt und richtet seinen Schwertriemen. Irgendwie bezweifle ich, dass seine Klinge in den letzten Jahrzehnten Blut gesehen hat.
Ich zittere, als wir bei dem Gebäude ankommen. Aren ist erschöpft. Selbst wenn er ausgeruht wäre, hätte er Probleme, mit einem Dutzend Fae auf einmal fertig zu werden. Mir ist nicht klar, wie er das schaffen will, es sei denn, die Zahl unserer Gegner halbiert sich auf wundersame Weise.
»Bereit?«, will er wissen.
Nein, ich bin nicht bereit. Das kann doch gar nicht gut enden.
Er drückt mir einen Ankerstein in die Hand.
»Warte«, meint Kelia.
Lorn wirft ihr einen Seitenblick zu. »Hast du es dir noch einmal überlegt, meine Liebe?«
Ohne ihn anzusehen, sagt sie: »Ich kann kleine Illusionen erschaffen.« Sie streckt die Hand aus. Ich starre bestimmt fünf Sekunden lang darauf und frage mich, was sie tut, als Aren zu grinsen beginnt. Er nimmt sie in den Arm.
»Das ist eine große Hilfe.« Er macht einen Schritt nach hinten und sieht mich an. »Sie imitiert deine Edarratae . Es ist nicht perfekt, sollte aber ausreichen, um die Königstreuen zu täuschen.«
Ein Köder. Das ist eine gute Idee.
»Sie verschwindet durch einen Riss, wenn die Fae näher kommen«, erklärt
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