Die Schattenleserin - Nachtschwarze Träume: Roman (German Edition)
gefrühstückt habe, ist Kelia durch einen Riss verschwunden. Zwanzig Minuten später war sie mit einem Arm voller Kleidung wieder zurück. Der Großteil davon war für sie, aber sie hat mir zwei Jeans, drei neue Oberteile und ein Paar schwarze Lederstiefel gegeben – natürlich hochhackige , weil das Weglaufen in bequemen flachen Schuhen ja viel zu verlockend wäre. Die Jeans ist ein klein wenig zu eng. Kelia hat mir versichert, dass es gut aussieht, auch wenn ich nicht danach gefragt habe und es mir eigentlich auch egal ist, und dass die azurblaue Bluse nicht zu weit ausgeschnitten ist, aber das ist definitiv nicht mein normaler Kleidungsstil. Ich kaufe Sonderangebote und trage T-Shirts. Dieser Look ist viel zu schick für mich, aber nicht für Kelia.
Sie sitzt neben mir auf dem Tisch, spielt an dem Beutel herum, der an ihrem Gürtel hängt, und starrt zu dem fast überwucherten Pfad hinüber, der durch die dicht stehenden Bäume führt. Das macht sie jetzt schon seit drei Tagen. Immer wieder sieht sie zu dem Pfad hinüber. Anfangs dachte ich, sie würde auf Arens Rückkehr warten. Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seitdem er mich in mein Zimmer zurückgebracht hat, und obwohl ich zu gern wissen würde, wo er steckt, habe ich nicht danach gefragt. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, dass er der Grund dafür ist, dass Kelia ständig den Kopf dreht, es sei denn, sie ist in ihn verknallt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Lena in ihn verliebt ist, und ich schätze, dass es nur wenig Fae-Ladys gibt, die nicht gern mit ihm ins Bett gehen würden, aber Kelia klingt irgendwie nicht schwärmerisch, wenn sie Arens Namen erwähnt. Vielleicht hat sie Angst, der Hof könnte diesen Ort finden? Darauf kann ich nur hoffen.
Ich ziehe einen dicken Holzsplitter aus der Tischplatte, und meine Stimmung verschlechtert sich rapide. Das ist einer der Gründe, warum ich drei ganze Tage voller Fae-Sprache ertragen habe. Wenn ich meine Gedanken wandern lasse, werde ich unweigerlich depressiv. Es ist jetzt vier Tage her, und ich bin mir sicher, dass mich zu Hause niemand vermissen wird, nicht einmal Paige, die daran gewöhnt ist, dass ich öfter mal für längere Zeit verschwinde. Das ist auch der Grund dafür, dass ich einige Meilen vom Campus entfernt wohne. Als Erstsemester habe ich mal im Wohnheim gewohnt, aber nachdem man mich zu oft bei Selbstgesprächen erwischt hatte – im Allgemeinen zeigen sich die Fae anderen Menschen nicht –, hat meine Zimmergenossin um eine Verlegung gebeten.
Ich schnippe den Holzsplitter weg und suche nach Ablenkung. Alles, was mich davon ablenkt, über mein Leben nachzudenken.
»Aren«, sage ich und spreche über das erste Thema, das mir einfällt. »Wird er zurückkommen?«
Kelia schnaubt. »Vermutlich.«
»Wo ist er hingegangen?«
»Ins Reich.« Ihre Antwort ist kurz, als ob sie weitere Fragen über das Falschblut abblocken will. Oder vielmehr den Lockvogel des Falschbluts, falls ich Sethan Glauben schenken kann.
»Wie lange kennst du ihn schon?«, will ich wissen.
Sie hört auf, an ihrem Beutel herumzuspielen, und sieht mich an. »Du hast seinen Namen seit drei Tagen nicht erwähnt. Woher kommt das plötzliche Interesse?«
Ich zucke mit den Achseln.
»Vermisst du ihn?«
Dieses Mal bin ich es, die die Stirn runzelt. »Natürlich nicht.«
»Die meisten Frauen schwänzeln um ihn herum«, meint sie.
Will sie damit wirklich andeuten, ich würde seine Gesellschaft mögen? »Er hat mich entführt .«
Sie legt den Kopf ein wenig zur Seite. »Findest du ihn etwa nicht attraktiv?«
»Er ist ein Fae.« Die Worte kommen einfach so aus meinem Mund. Kein Zugeständnis, kein Leugnen, aber sie liegen mir ebenso schwer wie eine Lüge auf der Zunge.
Kelias Züge verfinstern sich. »Was soll das denn heißen?«
»Wir gehören nicht in die Welt des anderen, und erst recht nicht in dessen Bett«, rezitiere ich, wobei meine Stimme ebenso unglücklich klingt wie Kyols an dem Tag, an dem er diese Worte zu mir gesagt hat.
»Glaubst du das wirklich?«, fragt sie.
Ich bringe gerade so ein hohles »Ja« heraus.
Daraufhin wird Kelias Ton säuerlich. »Du bist genau wie die anderen.« Sie springt vom Picknicktisch. »Wenn du eine Pause brauchst, dann kann ich dich in dein Zimmer bringen.«
Sie will gerade ins Gasthaus gehen, bleibt aber auf einmal wie angewurzelt stehen und wird kreidebleich. Ich sehe, dass ihr Blick zum Pfad gewandert ist.
Trev humpelt auf die Lichtung, angeschlagen und blutend. Edarratae
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