Die Schattenleserin - Nachtschwarze Träume: Roman (German Edition)
und ausgerechnet jetzt auftauchen? Nachdem er vor vier Tagen meinen Arm geheilt hat, ist er erneut verschwunden, und ich habe gerade aufgehört, auf seine Rückkehr zu warten.
»Du beobachtest Naito und Kelia«, sagt er. »Du würdest gern wissen, wie es sich anfühlt, einen Fae zu küssen.«
Ich weiß, wie sich das anfühlt. Genau das ist ja das Problem.
»Bleibst du dieses Mal länger?« Ich lege den Kopf in den Nacken, um zu ihm aufzusehen, als er vor mir stehen bleibt.
»Ich würde deine Neugier nur zu gern befriedigen.« Sein Grinsen wird sogar noch frecher. Mein Magen macht einen Salto, und ich kann meinen Gesichtsausdruck nur mit Mühe unter Kontrolle behalten.
»Hast du irgendjemanden getötet, während du weg warst?«, will ich wissen.
Er beugt sich über mich und spricht leiser. »Das wäre ein interessantes Experiment, denkst du nicht?«
Da ich vor ihm nicht zurückweichen will, drücke ich den Rücken durch, während er mir immer näher kommt. Ich versuche, gelangweilt auszusehen, aber mein Herz hämmert in meiner Brust. Ich habe keine Angst davor, ihn zu küssen. Ich habe Angst, dass es mir gefallen könnte. Eigentlich bin ich mir sogar sicher, dass es mir wegen der Edarratae gefallen wird, und das macht das Ganze noch viel beunruhigender.
Aren sieht meinen Mund an. Ich gerate in Panik, als er noch näher kommt. Bevor seine Lippen die meinen berühren können, hebe ich die Hände und stoße ihn weg. Er lacht und weicht zur Seite aus.
»Ich werde dich nicht ohne deine Erlaubnis berühren«, sagt er und setzt sich neben mich auf den Tisch.
Was zum Teufel? »Du berührst mich ständig ohne meine Erlaubnis.«
»Ich …« Er hält inne und kichert. »Stimmt, das tue ich wirklich.«
Ein leises Quieken lässt uns beide auf den Boden sehen. Sosch, der niedliche, aber gemeine Kimki , der vor einer Woche in meinem Rucksack saß, huscht auf den Picknicktisch zu. Er bleibt stehen, hebt die Vorderpfoten in die Luft und dreht die Ohren nach vorne.
Aren hebt ihn auf, aber sobald er ihn auf seinen Schoß gesetzt hat, quiekt Sosch erneut und starrt mich an. Ich verschränke die Arme vor der Brust. Dieses Vieh soll nicht in meine Nähe kommen. Es gehört Aren, und ich werde mich von diesem putzigen Wesen nicht in verletzliche Verzückung bringen lassen.
Aren schnalzt mit der Zunge. Das reicht Sosch als Erlaubnis anscheinend aus, denn er springt auf meinen Schoß und stupst meine verschränkten Arme an. Seine Nase ist weich und feucht.
»Du wirst seine Gefühle verletzen«, sagt Aren und greift in seine Tasche.
Ich bewege mich erst, als er mir etwas zuwirft. Ich fange den Zugbeutel – meinen Zugbeutel – auf. Die Ankersteine darin klackern, als ich ihn in der Hand halte.
»Du gibst ihn mir wieder?« Das ist kein großes Risiko. Ohne einen Fae oder eine Fae kann ich kein Tor passieren, was nützen mir dann die Steine?
»Ich habe die letzten beiden Tage damit verbracht, Risse zu den aufgeprägten Orten zu öffnen«, sagt er und beobachtet, wie Sosch unter meinen Arm krabbelt. Das Fell des Kimki fühlt sich an wie Seide. Ich lasse das Wesen auf meinem Schoß sitzen, aber ich streichle es nicht.
Aren grinst, konzentriert sich dann aber wieder auf mich. »Die meisten waren vorhersehbar: dein Zuhause in Texas, mehrere Provinztore und ein paar bedeutende Städte des Reiches. Einer brachte mich zu einem Verschwundenen Tor, das wir noch nicht gefunden hatten. Der war sehr hilfreich.«
Mich fröstelt es. Ich wende den Blick von Aren ab und streichle mit einer Hand über Soschs Rücken, dessen Fell silberfarben wird.
»Es gibt nur einen Ort, zu dem ich keinen Riss öffnen konnte.«
Verdammt, verdammt, verdammt.
»Ich musste eine Steinleserin aufsuchen, um mir Gewissheit zu verschaffen.« Er nimmt meine Rechte – ohne meine Erlaubnis –, öffnet meine Finger und legt mir einen halb durchsichtigen Stein in die Hand. Dann schließt er meine Finger darum. »Sie hat mir gesagt, wohin man damit gelangt.«
Verdammt!
Es war dumm, ihn zu behalten, aber ich wollte mich an die Nacht erinnern, in der Kyol mit mir in den Sidhe Cabred gegangen ist. Fae dürfen den Garten der Ahnen nur mit der Erlaubnis des Königs aufsuchen, und Menschen dürfen ihn gar nicht betreten. Der Sidhe Cabred ist im Reich sozusagen heiliger Boden, und Kyol … Er wollte mich gern dort hinbringen. Da sich der Garten innerhalb der Silbermauern von Corrist, der Hauptstadt des Reiches, befindet, konnte ich nur – an dem schwer bewachten Eingang
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