Die Schattenleserin - Nachtschwarze Träume: Roman (German Edition)
ich darf jetzt nicht schwach sein. Die Rebellen werden einen hohen Preis dafür verlangen, dass sie mir das Leben gerettet haben, und ich habe nicht die Absicht, so lange bei ihnen zu bleiben, bis er beglichen ist.
Ich springe auf die Beine, aber meine Knie geben nach.
»Alles okay?«, erkundigt sich Aren.
Ich ignoriere ihn und stehe erneut auf. Dieses Mal gelingt es mir, das Gleichgewicht zu halten. Allerdings habe ich nichts davon. Drei Rebellen versperren die Treppe. Einer von ihnen spricht in ihrer Sprache.
»Jemand hat die Polizei gerufen«, übersetzt Aren, der immer noch hinter mir steht, für mich. Zweifellos hat man meine Schreie gehört. Ich überlege, ob ich erneut schreien soll, doch dann packt Aren meinen Arm.
Blitze zucken über seine Haut und zu meiner. Ich kann mich nicht losreißen. Er zieht mich in eine Ecke, und als er seinen schlanken Körper gegen meinen drückt, setzt mein Gehirn aus. Die Blitze nehmen zu, fast schon explosionsartig, und Hitze durchzuckt meinen Körper.
»Die Polizei kann dir nicht helfen«, stellt Aren klar. Ich bin mir sicher, dass er nur aus dem Grund grinst, weil er mein offensichtliches Unbehagen bemerkt hat. Er spürt die Elektrizität zwischen uns genauso wie ich, doch ihn scheint sie nicht zu stören.
»Lass mich los!«, verlange ich und versuche, meine Arme zu befreien.
Der Strahl mehrerer Taschenlampen wandert vor den Polizisten die Treppe hoch.
»Sei still. Bleib ganz ruhig«, flüstert Aren mir zu.
Ich drehe mich um. Beinahe hätte ich mich losgerissen, aber dann legt sich ein starker Arm um meine Taille. Er legt mir die andere Hand auf den Mund.
Das war eine dumme Idee. Ich beiße fest zu.
Er verzieht nicht einmal das Gesicht, aber sein Grinsen verschwindet.
»Tut mir leid«, flüstert er mir ins Ohr.
Über meiner Schläfe explodiert der Schmerz. Ich wanke, verliere aber nicht das Bewusstsein. Allerdings geben meine Knie nach. Aren hält mich fest, sodass ich nicht umfalle. Ich kann sein Gesicht gerade noch so weit erkennen, dass ich die Überraschung in seinen Augen sehen kann, die dann aber schnell schwindet. Seine Lippen werden schmal, als er erneut die Waffe zückt. Es ist ein Dolch. Er lässt den Griff ein zweites Mal niedersausen.
2
M ein Kopf bringt mich noch um. Ich sitze alleine auf dem Rücksitz eines Vans, der von einem Menschen gesteuert wird, langsamer wird und anhält. Eigentlich möchte ich nicht aufstehen, doch dann wird die Seitentür aufgerissen, und man zerrt mich auf die Beine. Schwarze Punkte tanzen vor meinen Augen. Sie ähneln den Schatten, die ich für den Hof lese, aber diese hier bilden keine Muster, und hier öffnet auch niemand einen Riss, wo immer dieses »Hier« auch sein mag. Bevor ich überhaupt klar sehen kann, habe ich mich einige Meter von dem Wagen entfernt, der bereits wieder auf die Straße fährt. Zumindest handelt es sich bei dem Fae, der mir gerade fast die Schulter auskugelt, nicht um Aren, sondern um einen Mann, den die Rebellen Trev nennen. Ich kann das Prickeln seiner Berührung kaum spüren, weil seine Finger meine Blutzirkulation abschnüren. Er bleibt nicht stehen, als ich taumele oder etwas zurückbleibe. Menschen können sich nicht so schnell bewegen wie die Fae. Er weiß das und ist ein Riesenarschloch, weil er einfach nicht langsamer geht.
Wir laufen nicht weit. Das ist gut, weil die ganze Welt um mich herum schwankt, aber auch schlecht, weil es bedeutet, dass wir ein Tor erreicht haben. Es ist unsichtbar, wenn ich es direkt ansehe, doch wenn ich den Kopf zur Seite drehe, kann ich es aus den Augenwinkeln erkennen. Eine Dünnheit in der Welt. Ein leichtes Verschwimmen der Atmosphäre.
Ich blinzle und versuche herauszufinden, wo wir sind. Es gelingt mir, die Zahlen auf meiner Digitaluhr zu lesen. Es ist kurz nach Mitternacht. Ich kenne die Lage jedes Tors in einem Umkreis von drei Stunden, aber wir scheinen weiter weg zu sein, denn den winzigen Teich vor mir oder diese Baumgruppe, die sich mitten auf der Kuhweide eines Farmers zeigen, kenne ich nicht.
Aren tritt an das Ufer des Teichs. Tore befinden sich immer auf Wasser, daher weiß ich, was er tut, als er in den dunklen Teich greift. Er stellt eine Verbindung mit dem Tor her, dann steht er auf und hebt seine hohle Hand gen Himmel. Anstelle von Wasser fließt Licht darüber, ein Tropfen, zwei Tropfen, drei Tropfen auf einmal, bis der nicht enden wollende Regen zu einem wahren Wolkenbruch wird. Als dieser Riss das In-Between, das Zwischenreich,
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