Die Schattenmatrix - 20
Hastur zunickte, und wusste, es war an der Zeit, dass sich die beiden unterhielten. 15
Regis’ Arbeitszimmer lag auf derselben Ebene wie der kleine Speisesaal. Dorthin folgte ihm Mikhail, während Danilo SyrtisArdais einen Schritt hinter ihnen ging, um Regis Hastur Rückendeckung zu geben, wie er es nun seit mehr als zwei Jahrzehnten tat. Regis schenkte lediglich seinem Friedensmann und seiner Frau blindes Vertrauen, und Mikhail war in seinem Leben noch nie allein mit seinem Onkel gewesen. Er fragte sich, ob es Regis nicht manchmal auf die Nerven ging, ständig bewacht zu werden, und ob er das Alleinsein nicht vermisste. Ober hatte die unzertrennliche Beziehung mit Danilo sie zu zwei Teilen eines Ganzen zusammengeschweißt?
Mikhail wusste, dass Regis’ Sorge um seine Person auf die Zeit zurückging, als die Weltenzerstörer zahlreiche Mitglieder der Comyn ermordet hatten und sogar so weit gegangen waren, Babys in ihren Wiegen zu töten. Sie hatten diese Kräfte besiegt, aber es war eine Narbe zurückgeblieben, ein Verfolgungswahn, den Mikhail allerdings nicht ganz verstand, weil er damals noch zu klein gewesen war, um zu begreifen, was da eigentlich vor sich ging. Und da er keinesfalls wollte, dass seinem Onkel etwas zustieß, war er froh über Danilos unaufdringliche Anwesenheit.
Regis nahm hinter einem breiten Schreibtisch Platz und sah seinen Neffen an. Der Raum war karg möbliert, und Mikhail hatte dort schon einige Vorträge über seine Pflichten oder Schelte wegen kindlicher Streiche erhalten. Er zweifelte nicht daran, dass sein Onkel absichtlich diesen Ort für ihr Gespräch ausgewählt hatte, um diese Erinnerungen wachzurufen. Regis ließ sich eine solche Chance auf keinen Fall entgehen.
Während Danilo jedem von ihnen einen Becher Glühwein einschenkte, lehnte sich Mikhail im Sessel zurück und streckte die langen Beine aus. Er betrachtete die zerschlissenen braunen Vorhänge vor dem Fenster, den Teppich, dessen Muster fast nicht mehr erkennbar war, und die einzige Dekoration im ganzen Zimmer, ein etwa zwanzig Jahre altes Porträt von Lady Linnea. Inzwischen hatte sie ein paar Falten mehr um die blauen Augen, und ihr Gesicht war etwas voller geworden. Sie war ein sehr hübsches Mädchen gewesen, und nun war sie eine erwachsene Frau, aber ihre Augen funkelten noch immer wie in alten Zeiten.
Mikhail zwang sich zur Ruhe und weigerte sich, die Unterhaltung zu beginnen. Er hatte während der Reise pausenlos überlegt, was er zu seinem Onkel sagen würde, und sich Szenarios ausgemalt, die von wütend bis kalt reichten, jetzt im Ernstfall waren sie alle verschwunden. Danilo beobachtete ihn mit kaum verhüllter Belustigung, als wisse er, dass sie gerade ein Spiel miteinander trieben, und sei gespannt, wer als Erster sprach. Sie lächelten sich an, als der Friedensmann Mikhail einen Becher reichte.
Nach vielleicht fünfminütigem Schweigen fühlte Regis, der immer zur Unruhe neigte, sich erkennbar unwohl. Er spielte mit seinem Becher, rutschte in seinem Armsessel umher und ließ seinen Blick durchs Zimmer schweifen, als suchte er nach einem Thema, mit dem er anfangen konnte. »Ich freue mich, dass du zurück bist«, sagte er schließlich.
Mikhail war entschlossen, keine Handbreit nachzugeben. »Und ich bin froh, wieder hier zu sein. Nach den Strapazen in Haus Halyn fühle ich mich hier wie im Himmel.«
»Ich habe dir wahrlich einen schlechten Dienst erwiesen, als ich dich ohne jegliche Unterstützung dorthin schickte. Aber ich war mir über die Lage leider nicht richtig im Klaren -und ich bin es noch nicht.« »Priscilla Elhalyn hätte dir auch wohl kaum erzählt, dass sie einer Kräuterhexe ausgeliefert war.«
»Erzähl mir von ihr. Wie hieß sie noch gleich - Esmeralda?« »Emelda, und sie behauptete, eine Aldaran zu sein. Ich hätte beinahe Dom Damon nach ihr gefragt, aber dann siegte doch meine Vernunft.« Nach dem Gesichtsausdruck seines Onkels war Mikhail froh, dass er seine lebhafte Neugier gezügelt hatte. »Liriel sagt, dass Emelda vor ein paar Jahren nach Tramontana kam, um sich dort ausbilden zu lassen, und unter nebulösen Umständen wieder von dort verschwand. Man müsste die Bewahrerin von Tramontana vielleicht mal nach Einzelheiten fragen.« Mikhail kam seine ruhige und beinahe harte Stimme fast schon unheimlich vor. Der Zorn, der wochenlang in ihm gelodert hatte, war zu einer fremden Eiseskälte geworden. Er wollte Regis nicht anschreien - oder jedenfalls nur ein bisschen.
»Ich werde sie fragen.
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